„Weiter ist der Mensch seit ein Gespräch er ist“[1].
Mit der ersten von mir angedachten Struktur war ich geneigt, diesem Artikel die öffentlich bekannte Kritik an dem Unternehmen Synodaler Weg voranzustellen, sowie meinerseits eine kurze Einschätzung bezüglich der Kritiker selbst zu geben.
Ich habe mich dann aber entschieden, nicht mit dieser Kritik zu starten, die geäussert wurde und wird von Kardinälen, Bischöfen und anderen Lageristen, welche nicht nur dem sogenannten rechten Flügel in Kirche und Gesellschaft zugeordnet werden, was auch immer das konkret heissen mag.
Mit einem solchen Start wäre ich genau in die Falle getappt, die ich mit diesem Artikel versuche ein wenig aufzudecken, nämlich vorhandene Fronten, wie die der „Anhänger von … zu sein“ nicht weiter festschreiben zu wollen, beziehungsweise die Lageristen, welche die eine oder andere Wahrheit einzig für sich reklamieren, in ihren Lagern nicht weiter wegzuschließen.
So beginne ich „vorurteilsfreier“ mit Kurzinformationen zum Skelett des Synodalen Weges, der initiiert wird von der Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
Das Skelett
Die ersten Hinweise auf der Homepage der DBK zum Synodalen Weg führen aus: „Die Satzung des Synodalen Weges regelt das Zusammenwirken der Organe des Synodalen Weges.“[2]
Die dort nachzulesende Präambel zur Satzung erläutert weiter: „Die katholische Kirche in Deutschland macht sich auf einen Weg der Umkehr und der Erneuerung. Wir stellen uns der schweren Krise, die unsere Kirche, insbesondere durch den Missbrauchsskandal, tief erschüttert. Wir setzen auf das große Engagement aller, die in der Kirche aktiv mitarbeiten.“[3]
Das zentrale Instrument des Synodalen Weges, die Synodalversammlung wird auf der Homepage des ZdK so beschrieben „Sie ist das oberste Organ des Synodalen Weges und fasst die Beschlüsse. Ihr gehören die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz, 69 Vertreter des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sowie weitere Vertreterinnen und Vertreter geistlicher Dienste und kirchlicher Ämter an.“[4] In Summe sind das ca. 220 Personen.
Auf dieser Homepage wird weiter auf die Inhalte des Synodalen Weges eingegangen:
„Für die inhaltliche Arbeit des Synodalen Weges werden vier Synodalforen eingerichtet (…) zu den Themen (…): `Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilhabe und Teilhabe am Sendungsauftrag`, `Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft`, `Priesterliche Existenz heute` und `Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche`.“ [5]
Soweit eine knappe Skizzierung, die das Skelett des Synodalen Weges betrifft. Weitere Informationen sind auf der gemeinsamen Homepage von ZdK und DBK zu finden www.synodalerweg.de sowie bei Facebook & Twitter unter „Der Synodale Weg“.
Der Wachstumsprozess
Der Synodale Weg braucht ein solches Skelett, damit alle Beteiligten ihr miteinander verbunden sein auch spüren, die Konturen des Weges nicht beliebig verschwimmen, und in schwerer Gangart das Gleichgewicht auf dem gemeinsamen Weg nicht abhanden kommen kann.
Das Skelett selber aber ist nicht der Synodale Weg, sondern es ermöglicht ihn zu gehen. Das Skelett regelt Verfahren, aber nicht wie und in welchem Geist miteinander verfahren wird.
Dieses „Wie“ miteinander „verfahren“ wird bedarf existentiell einer Kommunikationskultur des Verstehens, einer Ästhetik des Aufeinander Achtens, und eines Handwerks für soliden „Brückenbau“.
Diese Bedarfe müssen durchdrungen sein von gefeierten Liturgien mit allen Playern auf dem Synodalen Weg, die sich auf den hin ausrichten und durch ihn sich auch ausrichten lassen, der Grund ist, warum die Beteiligten sich überhaupt auf diesem Weg befinden, auf Jesus Christus selbst.
Diese Bedarfe aber stehen nicht unverbunden nebeneinander, sie müssen ineinander und miteinander gestaltend wirken können.
Das Skelett braucht eine Gestalt, die es zum Synodalen Weg werden lässt.
So entfaltet sich der Synodale Weg auf dem Weg seiner selbst, oder anders formuliert (hier macht diese Aussage Sinn): „Der Weg ist das Ziel!“
Der ursprüngliche Begriff, von dem das Wort Synode sich herleitet, bezeichnet eine Reisegesellschaft, eine Karawane die unterwegs ist. Sie kann allerdings ihr Ziel (damals wie heute) nur dann geschützt erreichen, wenn die Einzelnen auch mit ihren unterschiedlichen Interessen, Geschwindigkeiten und Erwartungen beieinander zu bleiben gewillt sind. Solch eine Gemeinschaft aber bedarf des Vertrauens und dieses fällt bekanntlich nicht vom Himmel. Vertrauen muss also wachsen können. Der Synodale Weg ist demnach auch ein Wachstumsprozess des Vertraues, und damit einer gegenseitig wachsenden Akzeptanz.
Gestaltgebend
Reinhard Kardinal Marx unterstreicht schon mit den ersten Überlegungen zum Synodalen Weg: „Wir werden Formate für offene Debatten schaffen und uns an Verfahren binden, die eine verantwortliche Teilhabe von Frauen und Männern aus unseren Bistümern ermöglichen. Wir wollen eine hörende Kirche sein. Wir brauchen den Rat von Menschen außerhalb der Kirche“ [6]
Damit macht der Kardinal deutlich, das bisherige Formate des Miteinanders in der Vergangenheit ihren Dienst geleistet haben, ohne die wir (positiv) auch nicht da wären, wo wir heute sind, die aber nur bedingt tauglich sind für eine neu zu bildende Gestalt eines Weges, auf dem Kirche, den Menschen nahe, in die Zukunft gehen kann.
Dies bestätigt und bestärkt der Präsident des ZdK Prof. Dr. Thomas Sternberg, indem er deutlich macht, dass die Laien zukünftig nur beratend wohl nicht gestaltgebend dabei sein werden, sondern eher auf Augenhöhe. [7]
Das Werden eines neuen Formates inmitten der katholischen Kirche in Deutschland, eingebettet in das gemeinsam Kirche in der Welt sein, zu der Papst Franziskus in seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes vom 29. Juni 2019 mahnt, benötigt eine besondere Gangart, die zu dieser Erkenntnis führen kann: „Weiter ist der Mensch seit ein Gespräch er ist.“
Einander „riechen“ können
Entscheidend für den Synodalen Weg wird es auch sein, Räume zu schaffen, um den anderen „riechen“ zu können, auch wenn man ihn nicht unbedingt „riechen“ kann. Also Raum zu ermöglichen, in denen die Engagierten auf dem Synodalen Weg, besonders aber jene in der Synodalen Versammlung und den Foren, sich einander angstfrei zumuten können. Das wird mitentscheidend dafür sein, diesen Weg zu mehr zu machen als zu einem Weg auf dem Parlametarier sich tummeln. Solche Räume können abendliche Begegnungen anlässlich gemeinsamer Treffen sein, Vieraugengespräche am Rand von Versammlungen, extra organisierte Begegnungen in den Diözesen oder z.B. auch ein unangemeldetes Telefonat, um zu hören, wie der Weggefährte oder die Weggefährtin gerade unterwegs ist. Das mag banal klingen, ist aber wichtig, um sich näher kommen zu können, damit ein einander sich „riechen“ können wirklich möglich wird.
Die Sorge nicht absprechen
Ob Befürworter des Synodalen Weges oder Verhinderer, ob konservativ oder progressiv, ob Vertreterin einer Kirche von oben oder Vertreter einer Kirche von unten, ob rechts oder links, alle verbindet Eines, die Sorge um die Zukunft unserer Kirche.
Eine Sorge, die mit der eigenen Identität und der geistigen Beheimatung zu tun hat. Eine Sorge, die aus Verlustängsten herrührt oder sie nährt aus drohender Orientierungslosigkeit.
Dem anderen solche Sorge abzusprechen, hat keiner das Recht. Weil die Sorge als solche aber untereinander verbinden kann, ist es wegweisend, Möglichkeiten der Kommunikation zu schaffen, diese Sorge einander auch mitteilen zu können.
Hinhören bis zum Verstehen
Die im Vorfeld des Synodalen Weges oft eingeforderte Augenhöhe im Miteinander von Laien und Bischöfen, die eindeutig stärker von den Laien erwartet wird, bezieht sich oft auch auf Vereinbarungen zum Modus von Abstimmungen.
Um auf Augenhöhe in der katholischen Kirche, wenn auch nur in Annäherung gelangen zu können, ist ein Lernprozess notwendig, denn diese Augenhöhe hat es in den letzten fast 2000 Jahren in unserer Kirche nicht gegeben und sie kann weder von Bischöfen noch von Laien Kraft eigener Person verordnet werden.
Dieser Lernprozess, der erfahrungswendend auch „not – wendig“ ist, kann aber nur fortschreiten in einer neuen Qualität des miteinander Sprechens und aufeinander Hörens.
Ein Merkmal dieser Qualität wird sein, dem Gegenüber auf dem Synodalen Weg, ob er mir zusagt oder nicht, so lange zuhören zu wollen (und umgekehrt) bis ich verstanden habe, was er meint, und so in die Lage versetzt bin, die Meinung meines Gegenüber in eigene Worte zu fassen.
Das bedeutet dann aber noch nicht, diese Meinung auch zu teilen, das Gegenteil kann sogar der Fall sein, heftiger zu widersprechen.
Gerade aber dem Widerspruch, dem Konflikt eine offene Plattform zuzugestehen und nicht hintenrum zu wirken, dient einem ernstzunehmenden Miteinander.
Einer Konfliktlösung ist nicht dienlich, wenn Positionen ihr auszuweichen versuchen mit dem Argument, eine besondere Nähe zum heiligen Geist zu haben, oder deshalb schon auf der Seite der Wahrheit zu stehen, weil man anderer Meinung ist als die Bischhöfe es sind, wenn sie denn eine Meinung vertreten.
In der Gegenwart Gottes
Dieses neue Format, der Synodale Weg also, kann sich aber nur belastbar in die Zukunft und verwurzelt in der Vergangenheit entfalten, wenn alle Beteiligten ihr Miteinander auf diesem Weg in die Gegenwart Gottes halten.
Angelehnt an einen zentralen Gedanken der seligen Clara Fey (Ordensgründerin der Schwestern vom armen Kinde Jesus) bedeutet dies, mit einem Auge auf das Miteinander auf dem Weg zu achten und gleichzeitig mit dem anderen Auge gemeinsam auf Christus zu schauen, wie er gegenwärtig ist auch im Sakrament der Eucharistie.
Neu: Gemeinsam „beschieden“
Einem wachsenden Wir auf dem Synodalen Weg auch zukünftig zu trauen kann bedeuten, gemeinsam einem neuen „Findungsformat“ (nicht Entscheidungsformat) Gestaltungsraum zu geben, das ein neues Verb in den Sprachschatz der katholischen Kirche entlassen kann, und das da heißt: bescheiden.
Dieses neue Verb bescheiden setzt sich zusammen aus dem „be“ derer die bisher beraten haben (Laien) und dem „scheiden“ derer die bisher entschieden haben (Bischöfe).
In diesem neu gedeuteten Verb bescheiden klingen an:
Sich bescheiden gebärden, gemeinsam einen Bescheid geben, sich füreinander beschieden haben.
So könnte auf dem Synodalen Weg immer wieder neu ein alle Beteiligten verbindender Satz in den Mund genommen werden: Wir haben beschieden, nicht die einen berieten und die anderen entschieden, nein, wir haben gemeinsam beschieden.
Anmerkungen:
1. Zugeschrieben Dr. Klaus Hemmerle in Anlehnung an einen Ausspruch des Dichters Friedrich Hölderlin
2. https://www.dbk.de/themen/der-synodale-weg/ Weitere Infos zum Synodalen Weg auf: https://www.dbk.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/Satzung-des-Synodalen-Weges.pdf
3. https://www.dbk.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/Satzung-des-Synodalen-Weges.pdf
4. https://www.zdk.de/ueber-uns/unsere-arbeit/synodaler-weg/faq/
5. https://www.zdk.de/ueber-uns/unsere-arbeit/synodaler-weg/faq/
6. Kardinal Marx, Frühjahrs-Vollversammlung in Lingen am 14. März 2019
7. Vgl. zu „Augenhöhe“ Domradio: https://www.domradio.de/themen/laien/2019-05-10/umzug-synodaler-weg-und-kirchentag-viel-abstimmungsbedarf-bei-zdk-vollversammlung (20. 08.2019)