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Der du nun mehr vermagst zu sehen

Andenken an Bischof Klaus Hemmerle

Königen, Präsidenten und Ministern, Klugen und Gelehrten hast du deine Hand gereicht, mit deinem verschmitzen Lächeln und ein wenig Schalk im Nacken. Meine Hände kanntest du auch, wie so viele Hände „kleiner Leute“! Dein Winken im Vorübergehen ist mir zum Bild geworden. Dein Finger, verschränkt zur fröhlichen Faust ist auch heute noch ermutigender Aufruf zu gemeinsamem Weg.

Manchen Abend hast du mir geschenkt, leicht und heiter, klar und weit das Spiel der Worte. Du gingst hinterher und vorne weg, verstehend, annehmend, mittragend und immer suchend, ruhte dein Blick auf dem in aller Klarheit verborgenen Ziel.

In deinem Nachruf versicherte prominente Stimme: „Dein Wort verstand in gleicher Weise der Professor und die Marktfrau!“. Verzeih, das glaube ich nicht. Lauschte ich doch mit all meiner, sich aufbämenden und doch eher bescheidenen Intelligenz auf unseren Spaziergängen durch die Weinberge Bingens deinen Gedanken vom Menschen und der Ewigkeit, verstand nur sicher ich dein Herz.

Auch morgen werde ich, wie an so vielen Tagen schon davor, dein Grab besuchen, wissend, in dieser Gruft liegst du ganz hinten links, eingemauert. Dann wird wieder mein Blick versuchen, dem Totenkopf auf der eisernen Grabplatte zu entgehen.

Zwei kleine Kerzen werd ich wie so oft vor deinem Grab entzünden für den Menschen, den ich liebe, denn du verstehst, ein, zwei Kerzen, du verstehst, und manchmal eine auch für dich.

Wenn etwas Zeit du dir gönntest, spieltest du Klavier, im Urlaub maltest du Aquarelle, begegnetest Freunden gemeinsamer Gedanken, schriebst Bücher und manchmal alles gleichzeitig.

Nur auf zwei Stühlen hättest du nie Platz genommen: Auf dem Thron Karls des Großen und auf dem einfachen Sitzgefährt der alten Frau vor sardischem Haus, wie auch, nahmst du doch meist Platz zwischen zwei Stühlen, obwohl es immer anders klang.

Liegend, im Bett, in dem du bald schon sterben würdest, suchtest du im Nachttisch nach deiner Brieftasche. Bis heute weiß ich nicht warum, zeigtest du mir ein leicht vergilbtes Bild mit den Worten: „Dieser Mensch hat mich begleitet, er bedeutet mir viel.“ Freiburg ist eure Heimat, und du schautest mich an und ich blickte auf das Bild vor weißem Laken und ausgzerrtem Leib!

Mein schwarzes Jackett ist mir letzter Zeuge deiner freundlichen Nähe. Du hast es nie gemerkt. Fast immer, wenn du meine Jacke von der kleinen Garderobe im Flur abgenommen hast, zupftest du sie kräftig nach unten. Das kostete vier Aufhänger an Jacken und Mänteln. Einmal sagtest du dann, mit deinem unsicheren Witz, „darf ich dir in den Frautel helfen?“

Als ich an diesem Morgen um 8.15 Uhr bei dir anrief, warst du gerade ein paar Stunden tot. Du hieltest dich, nun endgütig, wie so oft, mit deinen Händen an der Kette deines blauen Brustkreuzes um deinen Hals fest.

Anlässlich deines 70. Geburtstages entstand von dir, was du nie sehen wolltest, dein Bild in Bronze, für die Ewigkeit gegossen. Weit weg und damit dabei, wirst du mit so manchem Gast geschmunzelt haben, der du nicht dein Bild, sondern den Wunsch in deinen Augen uns hinterlassen willst, der du nun mehr vermagst zu sehen:

Leben durch den Tod gegangen
Vergebung nach der Schuld gespürt
Einheit aus der Trennung geschenkt
Herrlichkeit hinter den Wunden mächtig
Mensch aufgehoben in Gott
Gott pulsierend in Menschen
Dein Ich in ein neues Du getaucht
Siehst du nun österliche Kraft, schattenlos

Aus „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
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