Faxbox-Predigt zu Christi Himmelfahrt 1999
Das Thema des heutigen Festtages liegt auf dem Tisch! Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngern und mit ihnen von all den Menschen, denen er begegnet ist. Himmelfahrt Jesu bedeutet: Durch die Welt heimkehren in Gott. Der Auferstandene geht seinen Weg konsequent weiter in die Gemeinschaft hinein, die er, der Sohn Gottes, mit dem Vater durch den Heiligen Geist immer schon war und ist.
So verbirgt sich auch im Evangelium des heutigen Tages das Thema Abschied. Jesus schickt seine Jünger von sich weg, er legt die Trennung, den Abschied fest mit den Worten: „Geht zu allen Völkern.“ Jesus geht nicht mehr voran, sondern er sendet seine Jünger, den Menschen anzubieten, was er selbst ihnen geschenkt hat und sie selbst gläubig angenommen haben: Das Evangelium vom Leben. Durch die Annahme des Wortes Jesu und die Aussendung in die Welt werden Menschen zu Jüngern Jesu. So führt Jesus nicht mehr in seiner greifbaren historischen Gestalt, sondern durch sein Wort. Hier wird auch der Weggang Jesu, der trotzdem auch ein Verbleiben Jesu in der Welt bedeutet, deutlich. In der Weitergabe der befreienden Botschaft bleibt Jesu präsent. Im Verschweigen seiner Botschaft wird Jesu verschwiegen!
„Lehrt die Völker alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“, das gibt Jesu denen mit auf den Weg, die sich zu ihm bekennen. Im Zeugnis der Botschaft Jesu erfahren die Menschen, die noch etwas zu hoffen haben, die Nähe Jesu, der die Botschaft selber ist.
Zeugnis von der Nähe Jesu unter den Menschen zu geben reduziert sich aber nicht ausschließlich auf die Weitergabe seiner Worte. Zeugnis geben bedeutet auch heute Phantasie in Sachen Weitergabe des Glaubens zu entwickeln. Phantasie ließ in Hamburg eine Idee entstehen, die nachahmenswert ist: Dort gibt es seit kurzer Zeit ein Lokal in dessen Speisenkarte hineinzuschauen sich lohnt. Nicht nur wegen des reichhaltigen internationalen Speiseangebotes, sondern auch wegen der Preise, genauer gesagt, ein Gericht hat drei Preise. Diese drei unterschiedlichen Preise sind eine Einladung an Sozialhilfeempfänger und jene mit einem dicken Portemonnaie gemeinsam in einem freundlich eingerichteten Lokal zu speisen, um so auch miteinander ins Gespräch zu kommen. Das Prinzip ist einfach: Den kleinen Preis zahlen die Sozialhilfeempfänger, ausgewiesen durch eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen Ämter. Den Standardpreis für Essen und Getränke kann jeder andere Gast bezahlen. Ihm allerdings bleibt auch die Möglichkeit den höheren Solidaritätspreis zu entrichten, der vergleichbar ist mit den „normalen“ Preisen in „normalen“ Gaststätten. Hier entscheidet der Gast selbst, ob er ein Besserverdienender ist. Im „Zum kleinen Zinken“, so der Name des Hamburger Lokals, lautet die Devise: Die Reichen zahlen für die Armen mit!
In anderen Städten gibt es ähnliche Modelle, so z.B. die sogenannte „Tafel“. Das sind Geschäfte, in denen Bedürftige für Kleinstbeträge Lebensmittel erwerben können, die von großen Geschäften und Lebensmittelketten abgegeben werden, weil z.B. in wenigen Tagen das Verfallsdatum abläuft, beziehungsweise frischeste Waren die Verkaufsregale füllen sollen. Die Erfahrung zeigt, konkrete und menschenfreundliche Hilfe kann so gestaltet werden, natürlich bedarf es ein wenig Phantasie und des Wunsches, helfen zu wollen.
Zugegeben, solche Aktionen kann jeder starten auch ohne die Aufforderung des heutigen Evangeliums. Aber fordert unser Evangelium nicht gerade zu solchem Handeln auf? Geht die Verkündigung der befreienden Botschaft Jesu nicht gerade solche Wege zu den Menschen, die aufgrund ihrer benachteiligten Lebenssituation allen Grund haben noch etwas zu erhoffen. Wird das Wort Jesu nicht erst in solcher menschenwürdigen Hilfe greifbar, erfahrbar und als die von Menschenhand weitergegebene Freundlichkeit Gottes, so wie sie Jesus verkündet hat, erlebbar?
Ob aus dem Evangelium motiviert oder „nur“ aus einfacher Menschenfreundlichkeit, wovon aufgetrieben auch immer, das Urteil Jesu würde lauten: Gute Idee, weiter so, ihr habt mich richtig verstanden!
Dürfen wir dieses Urteil so einfach in den Mund Jesu legen ohne dieses ungute Gefühl zu haben, das Evangelium nicht doch zu verkürzen? Wo bleibt die Botschaft vom Heil, vom Leben nach dem Tod, dieser verheißenden Gemeinschaft mit Gott in seinem Reich?
„Ihr werdet erkannt werden an euren Taten“, auch diese Botschaft Jesu dürfen wir gerade jetzt nicht vergessen. Glaubwürdigkeit ist hier angesprochen. Was hilft es einem Menschen, dem das nötigste zum Leben fehlt, das wir ihm geben könnten, uns aber nur auf die Aussage beschränken: „Freue dich auf den Himmel, dort wirst du alles haben“, um uns dann genüsslich zu Tisch zu begeben. Auf diese Botschaft aus unserem Munde würde ein benachteiligter Mensch pfeifen!
Auf dem Hintergrund unserer Glaubwürdigkeit als Jüngerinnen und Jünger Jesu müssen wir uns besonders in diesen Tagen auch der Frage stellen: Wie weit sind wir bereit zu gehen, um die Menschenfreundlichkeit Gottes spürbar werden zu lassen? Könnten wir in Deutschland nicht vielleicht doch noch 10.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo vorübergehend aufnehmen, auch wenn wir das politisch vereinbarte Soll schon längst erfüllt haben? Wie würde jeder von uns diese Frage entscheiden?
In einem Sacral Pop Musical der 70iger Jahre lautet der Refrain eines Liedes sehr provokant: „Glotz beim Loben nicht immer nach oben, schau mal zur Seite, dann siehst du die Pleite.“
Den in den Himmel aufgefahrenen Christus zu loben bedeutet ihn zu erden. Christus erden aber heißt ihn ankommen zu lassen bei den Menschen, die allen Grund zur Hoffnung haben. Diese Menschen finden wir oft nur, wenn wir zur Seite schauen. Denn Menschen in materiellen und seelischen Nöten verbergen sich oft abseits des pulsierenden Lebens. Zu diesen Menschen sind wir gesandt, um das Evangelium spürbar werden zu lassen und um so die heilende Botschaft den „Völkern“ zu sagen.
Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.