www.christoph-stender.de

Christentum und Kirche – ein europäisches Erbe mit Zukunft

Impuls zur Arbeitsgruppe I beim Jugendkongress der Konrad-Adenauer-Stiftung „Europa: Ohne Werte keine Zukunft“

  • Das Christentum und Kirche zum europäischen Erbe gehören ist unbestreitbar. Die beiden christlichen Konfessionen, Katholisch, Evangelisch, die orthodoxen Glaubensgemeinschaften, wie die Anglikanische Kirche haben unterschiedliche aber unübersehbare Spuren hinterlassen, die sicher von Zeitgenossen heute auch unterschiedlich eingeordnet werden.
    Christliche Tradition und christliches Gedankengut ist spürbar im europäischen „Wertekanon“, in den Künsten, der Kultur und der Bildung bis hinein in die sozialen Netzwerke.

Blicken wir also direkt in die Zukunft:

  • Die im Veranstaltungstitel parallelgesetzten Begriffe „Christentum und Kirche“ müssen mit Blick auf „ihr Erbe sein“ für die europäische Zukunft differenziert betrachtet werden.
    Einen differenzierenden Einblick verlangt schon das Phänomen, das fundamentaltheologisch und dogmatisch die  Kirche (ich nenne hier die mir vertrautere katholische Kirche), egal in welchem europäischen Land sie sich vorfindet, immer die „Eine“ ist („unam, sanctam, catholicam et apostolicam Ecclesiam). Der Grad ihrer Einbettung in Staaten und Gesellschaften allerdings ist sehr unterschiedlich. Auch kann man nicht so einfach von der Kirche sprechen, berücksichtigt man den unterschiedlichen Institutionenwandel der christlichen Kirchen in Deutschland, Frankreich oder in Polen. Auch ist die Verankerung z.B. der Orthodoxen Kirche in der bulgarischen Bevölkerung eine andere als die der Anglikanischen Kirche in Großbritannien. Ohne Zweifel allerdings ist, dass die Institution Kirche in Europa weiter an Bedeutung verliert, allerdings auf die einzelnen EU Staaten bezogen verschieden intensiv. So ist der Begriff Kirche, bezogen auf ihre Bedeutung für die Zukunft Europas keine unwichtige aber eine unsichere Bank.
  • Theologisch betrachtet (Theologie verstanden als die Reflexion der Kommunikation Gottes mit den Menschen in der biblischen Überlieferung und der Tradition der Kirche.)  gehören die beiden Begriffe Christentum und Kirche wie im Titel formuliert allerdings existentiell zusammen.
    Christentum, personalisiert auf den hin, der sich als personales Subjekt auf Christus bezieht, wird durch seinen Christusbezug notwendig auf die Gemeinschaft der Glaubenden verwiesen, die nichts anderes ist als die (lat.) Ecclesia, die öffentliche Versammlung der Christen, also die Kirche.
    Der christliche Glaube führt den einzelnen immer hinein in eine Gemeinschaft der Glaubenden, unabhängig wie groß diese Gemeinschaft ist und in welchem Land sie sich befindet. Glauben tut man nicht für sich allein, Glauben ist Sammlung!
  • Die Gemeinschaft der an Christus Glaubenden z. B. gesammelt in der katholischen Kirche, ist aber immer eine Gemeinschaft mitten in der Welt. Sie geht nicht aus einem „Nicht – Welt – Sein“ auf die Welt zu, sondern sie findet sich in der Welt vor, obwohl sie nicht von der Welt ist, sprich nicht den Kräften der Welt unterworfen ist. (Stichwort aus der Freiburger Rede von Papst Benedikt: „Entweltlichung“)
    Dies konkretisiert das II. Vatikanische Konzil (1962 – 1965) in  der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ („Freude und Hoffnung“) über die Kirche in der Welt von heute, für heute verbindlich:
    • Der Mensch ist Urheber, Mittelpunkt und Ziel des wirtschaftlichen Lebens und der Kultur, denn die Würde der menschlichen Person gründet in der Gottesebenbildlichkeit.
    • Die menschliche Person ist auch Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen. Die Kirche weiß sich mit allen Menschen darin verbunden; daraus entwickelt sich der Auftrag im Dienst an anderen, eine humane Gesellschaft zu gestalten.
    • Die Kirche braucht den offenen Dialog mit der Welt, um – lehrend wie lernend – die Zeichen der Zeit zu erkennen und ein Gemeinwohl, im weltweiten Kontext, nach Gottes Ordnung anzustreben.
    • Dieses setzt die Kenntnis der Situation des Menschen in der heutigen Welt voraus, wobei die gegenwärtig starken Wandlungen zu berücksichtigen sind. Trotzdem ist die Kirche an keine besondere Form der Kultur und kein besonderes gesellschaftliches, wirtschaftliches oder politisches System gebunden, sondern eine Entität sui generis (eigene Gattung, eigene Art).

 

Kirche ist nicht Selbstzweck, sondern das wandelnde Volk Gottes durch die Zeit, sprich unsere Welt.

  • Unter diesen Rücksichten kann guten Gewissens gesagt werden: Die Glaubensgemeinschaft der Christen z.B. als katholische Kirche auf dem Weg, hat im zukünftigen Europa eine Zukunft. Auch wenn diese Gemeinschaft primär in Europa schrumpft, so werden sich in den Ländern die momentan zu Europa gehören die Christen frei versammeln können, Gottesdienste feiern und teilweise veränderte aber auch neue Strukturen ihres „da – Seins“ entfalten. So kommen sie zukünftig vor. Und wer vorkommt hat auch die Potenz zu gestalten.
  • Allerdings ist zu unterscheiden zu dem eben gesagten, dass die Gemeinschaft der Glaubenden in der Zukunft Europas vorkommen wird,  ob die Kirche an einer europäischen Gesellschaft in  Zukunft auch mitgestalten wird, so wie sie das bis in unsere Gegenwart hinein tut.
    Kirche geht nicht auf in der Welt, sie ist nicht von dieser Welt, da von Christus gestiftet, aber inmitten der Welt. Das klingt provokant, ist es auch!
    Die Position der Kirche ist in mitten der Welt, aber sie ist immer auch aus der Distanz des Evangeliums zu dieser Welt präsent.
    Aus dieser Perspektive bezieht Kirche ihren Auftrag (nicht ihre Daseinsberechtigung) immer neu, in die Welt ganz konkret hineinzuschauen, um da Anwalt zu sein, wo diese Welt, wo Gesellschaften verletzt sind, bzw. verletzen.
    Da muss Kirche allerdings selber sehr demütig werden, weil sie selber bis in die jüngste Vergangenheit hinein selbst zutiefst und unverzeihlich durch einige ihrer Repräsentanten verletzt hat. (Pause)
  •  Ein Beispiel aus der Kirchengeschichte, vielleicht tauglich für die Zukunft des Miteinanders von Kirche und Europa: Die Gründungen z.B. der Ordensgemeinschaft der Franziskaner ist entstanden auf den Hintergrund eine Kirchenkritik von innen heraus, aber auch als Kritik an der damaligen Gesellschaft in die hinein Kirche verwoben war. Die Gründung der Franziskaner (1209, Ordo Fratrum Minorum, Abkürzung OFM, Orden der Minderbrüder des hl. Franziskus), ist nicht nur die Schaffung einer neuen Gemeinschaftstruktur, sondern im Kern begründet in dem anderen Blick auf den Menschen, nämlich ihn messend an seiner Ebenbildlichkeit Gottes. Dieser andere Blick deckt Anfang des 13. Jh. konkrete soziale Missstände in Kirche und Gesellschaft auf. Dieser andere Blick ist immer, damals wie heute, gerichtet auf Gesellschaft und die Kirche selbst. Der andere Blick, der Blick durch das Evangelium auf das Miteinander der Menschen auch in der Zukunft Europas, wird der Beitrag derer sein können, die sich auch in Zukunft Christen nennen. Und eines steht fest: Wer durch das Evangelium hindurch auf das Miteinander der Menschen schaut, wird immer feststellen, dass es Verlierer gibt. An deren Seite gehört letztlich primär eine Kirche der Zukunft, mit und für Europa und inmitten Europas.
  • Auch wenn die Gestalt und Struktur der Kirche sich wandeln wird (und auch muss), so wird sie in Gemeinschaften derer, die sich zu ihrem Glauben bekennen und ihn feiern, in einen zukünftigen Europa sichtbar sein, einfach weil diese Gemeinschaften da sind. Das ist in sich ein wertvolles Gut für ein Europa der Zukunft, das Christinnen und Christen da sind, sich als Erzählgemeinschaft definieren, integral auch in einem religiös plural größeren Gemeinwesen. Aber sie werden sich nicht selbst genügen wollen, sie werden diesen anderen Blick durch das Evangelium hindurch auf die Welt haben, dem sie selbst verpflichtet sind, aber der sie auch nicht schweigen lässt von dem was sie sehen.
    Daraus entsteht „notwendend“ exemplarisches Handeln, Kirche als Vorreiter, eine anzunehmende Vision von Kirche in einem zukünftigen Europa.
Vortrag im Rahmen des Jugendkrongresses „Europa: Ohne Werte keine Zukunft“ der Konrad-Adenauer-Stiftung, 5. Oktober 2011, 9.30 – 18.00, Aachen
Dieser Beitrag wurde in Vorträge veröffentlicht und getaggt , , , . Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Kommentieren oder einen Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

Einen Kommentar hinterlassen

Ihre E-Mail wird niemals veröffentlicht oder weitergegeben. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie können diese HTML-Tags und -Attribute verwenden <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

*
*

© Christoph Stender | Webdesign: XIQIT GmbH
Impressum

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen