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Ausgeliefert an unser Lebensglück – doch Du bist uns nahe

Erwachsenengottesdienst der Anna-Woche 1999 in Düren

Es gibt Sätze in der heiligen Schrift, die gehen schlicht und ergreifend an der Realität vorbei! So dieser Satz aus dem heutigen Evangelium: „Wenn du also eingeladen bist, setze dich lieber, wenn du hineinkommst, auf den untersten Platz: dann wird der Gastgeber zu dir kommen und sagen: Mein Freund, rück weiter hinauf.“ Es geht hier um ein Hochzeitsfest, ein Ort der Lebensfreude, der damals wie heute unter dem Motto steht: „Lust for Life“. Damit das Fest nun aber für die Gäste auch keine Enttäuschung wird, mahnt der Erzähler den Gast zur Bescheidenheit, also auf den hintersten Plätzen Platz zu nehmen, um dann eventuell durch den Gastgeber hofiert, der Ehre des besseren Platzes zuteil zu werden. Ob diese Rechnung heutzutage noch auf geht, wage ich zu bezweifeln. Wenn ich dieses Gleichnis nun aber über das Hochzeitsfest hinaus auf den Lebensstil und das Verhalten unserer Gesellschaft übertrage, dann, so glaube ich, ist diese Verhaltensweise der Bescheidenheit die Garantie für den Misserfolg. Wer sich in unseren primären und sichtbaren Verhaltensweisen dessen, was wir Gesellschaft nennen, auf die hinteren Plätze begibt, hat sich für das Abseits entschieden und wird da auch bleiben.

Heute müssen wir uns täglich neu anstrengen um im Leben vorne zu agieren. Das suggerieren uns die Medien, erwartet die Wirtschaft und propagiert das immer coole Verhalten derer in unserer Gesellschaft, die von sich selber meinen, immer auf der Lebensbühne im Rampenlicht zu stehen.

Und was haben Sie zu bieten? Können Sie mithalten? Haben Sie begriffen, was wirklich abgeht? Haben Sie das Feeling für das Leben wo es so richtig brummt? Schnell muss es sein, schrill, laut, kompetent, flexibel, Trendorientiert. Ohne Handy sind sie abgeschnitten von der ad hoc Kommunikation. Computer ist ein Muss, die neuesten Computerspiele ein Gradmesser ob jemand am Puls des Lebens ist oder nicht. Events sind heute gefragt, die Millionen von Menschen sind nicht hier sondern auf der Love Parade, auf dem Christopher Street Day oder sonst bei einem eventverdächtigen Happening. Manche werden von Ihnen nun sagen damit habe ich nichts zu tun! Aber trotzdem Leben Sie in einer sich so ausrichtenden Gesellschaft und werden in ihr an diesen Entwicklungen auch gemessen. Ich will hier nichts mieser machen als es manchmal ohnehin schon ist. Zugegeben: Bei der Love Parade konnte ich nicht, beim Christopher Street Day war ich in Köln. Mein Handy liegt in der Sakristei. Für Computerspiele bin ich zu doof. Auf Klamotten lege ich auch ein bisschen wert. Und es bedeutet mir sehr viel, mit euch heute abend Gottesdienst zu feiern. Meine momentane Lieblingsinterpretin ist Cher und der Titel, der mich nicht still sitzen lässt ist „All or nothing“ direkt gefolgt von „believe“. Mit Freunden und Freundinnen tanze ich: „All or nothing“ und ich habe mich für „all“ und gegen „nothing“ entschieden.

Ich tanze weil ich noch Träume habe Sie wissen doch, was Träume sind! Ich träume den Menschen meiner Liebe, dessen Hand mich hält und der mir seine Nähe schenkt. Ich träume davon, so sein zu wollen, wie Gott mich gemacht hat und ob das nun allen anderen passt oder nicht ist mir egal. Ich habe keinen Bock auf jeden Trend. Ich möchte tun was schön ist und laut behaupten können: „Perfekt bin ich nicht aber auch nicht fertig!“

Ich träume von Menschen mit Zivilcourage, die nicht von der Masse sich treiben lassen nach dem Motto: „Fresst Scheiße, ne Million Fliegen können sich nicht irren!“ Nein! Ich träume von Menschen, die protestieren, wenn andere Menschen in die Enge getrieben werden, wenn Gewalt im Großen wie im alltäglichen regiert oder irgendwelche selbsternannten Moralapostel entscheiden, welches Lebensgefühl erlaubt ist und welches nicht in unsere Gesellschaft passt.

Ich träume von Menschen, die begriffen haben, dass niemand sich selbst gemacht hat, sondern das jeder von uns ein einmaliges Geschenk ist. Jeder von uns ist darüber hinaus ein beschenktes Geschenk, beschenkt mit dieser zerbrechlichen Schöpfung, unserem Planeten Erde.

Ein Sommertag, den Menschen den wir lieben, ein Schluck Wasser und frisches Brot, den Duft einer Blume, Wind um die Nase, Worte mit Verstand, welch ein Geschenk, und dann noch ein Lied und die Lust zu tanzen. Ja, sind das nicht auch Ihre Träume?

Ich tanze, weil ich mich entschieden habe, gegen ein „nothing“ und für ein „all“! Ein „all“ auf der Seite des Geschenkes Leben. Davon träume ich, von Menschen auf der Seite des Lebens. Ich tanze, weil ich Träume habe, doch Träume von Menschen habe ich, weil ich glaube.

Ich glaube diesem Jesus von Nazareth, dem Sohn Gottes. Seinem Wort glaube ich, denn er spricht von diesem „all“ weil er gegen ein „nothing“ ist. Er ist für das „alles für das Leben“, er ist für das Überleben der Menschen und dafür hat er alles gegeben. Dafür lohnt es sich immer wieder hier zu treffen um Ihn mitten unter uns zu feiern. Ihm Dank zu sagen, um so immer neuen Mut zu sammeln für ein „all“ und gegen ein „nothing“. Ich tanze, weil ich vom und für den Menschen träume, ich träume weil ich an Gott und die Gemeinschaft mit ihm glaube.

Nochmals die Frage, die ich eben gestellt habe: Was haben Sie zu bieten? Können Sie mithalten? Habt Sie begriffen, was wirklich abgeht? Menschen, die aus Freude noch tanzen können, die tanzen, weil sie Träume vom Menschen haben und die träumen können, weil sie glauben an unseren Gott des Lebens, die haben was zu bieten und die haben wirklich begriffen. Die haben mehr begriffen, als für Geld an schneller, höher, weiter, schriller zu haben ist. Die haben begriffen: Freude an dem Leben zu haben so wie Gott es uns geschenkt hat und er es uns spüren lässt. Zu träumen vom Menschen auf der Seite des Lebens mit Zivilcourage, Mut und Visionen. Zu glauben an Gott in Jesus Christus, der alles für unser Leben und Überleben getan hat.

Aber wenn wir dann merken, dass wir doch noch eine ganze Menge falsch gemacht haben, uns selber nur schwer annehmen können, am Leben auch gelitten haben, wenn uns der Mut fehlte gegen den Strom zu schwimmen, da wo wir es richtiger fanden und dann da stehen mit dem Gefühl nicht alles sondern „nothing“ zu haben! Dann gilt diese Einladung Jesu auch uns: „Komm, verstecke dich nicht dahinten. Komm nach vorne, nimm Platz im Leben.“

So geht es im Evangelium nicht darum auf Sparflamme zu leben. Das Evangelium lädt uns ja ein, unser Leben zu feiern und gibt uns sogar einen Tip, wie wir aus damaliger Sicht noch mehr Lebensqualität in der ersten Reihe bewerkstelligen können. Doch auch in der „ersten Reihe“ unseres Lebens zu sitzen, also Leben primär und subjektiv als gelungen erlebt zu haben, ist bei Gott noch nicht die allererste Reihe. Er hat mehr zu geben! Er bietet uns die erste Reihe des Überlebens an und in der können wir uns nicht so einfach hinsetzen. In diese „göttliche erste Reihe des Lebens“ können wir nur von Ihm gebeten werden.

Auf dem Weg dorthin mein Wunsch für Sie:

Ich bitte nicht, du mögest niemals so einen Schmerz in deinem Leib zwischen Herz, Fleisch und Muskeln spüren, der dir Angst einflößt, unwissend, ob er vergeht oder Anfang deines Endes ist?

Ich bitte nicht, dir möge die Frage erspart bleiben, geht das mit dem Geldverdienen weiter, werde ich in Zukunft meine Fähigkeiten einbringen können, finde ich morgen noch Bestätigung?

Ich bitte nicht, der Zweifel möge niemals an dir nagen: Was bin ich noch wert, werde ich nicht doch eines Tages weggeworfen, liebt mich überhaupt noch ein Mensch, bin ich nicht einfach nur ein überflüssiges Auslaufmodell?

Ich bitte nicht, dir möge dieses große schwarze Loch ohne jeden Halt erspart bleiben, in das du einfach nur hineinstolperst.

Ich wünsche dir nicht, dass all das nicht geschehen möge, was geschehen wird.

Mein Wunsch für dich:

Haut, die dich streichelt und hofft aus Liebe gestreichelt zu werden.
Hände, die dich schützen und die du zu halten dich sehnst.
Augen, die dir nachgehen und die du entdeckst.
Ein Wort, das dich trägt, fremd der Lüge und ein Mund, der es nie vergissst.
Ich wünsche dir ein du und diesem du dich bis dorthin, wo uns nichts mehr halten kann!

Diese Predigt wurde im Rahmen der Anna-Woche 1999 in St. Anna, Düren gehalten. „Ein Wunsch für Dich“ aus: „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.

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