Jugendgottesdienst der Anna-Woche 1999 in Düren
Was habt ihr zu bieten? Könnt ihr mithalten? Habt ihr begriffen, was wirklich abgeht? Seid ihr gut drauf, habt ihr das Feeling für das Leben, wo es so richtig brummt?
Ich glaube nicht! Schaut euch doch an. Gehört ihr zu den Schönen? Habt ihr genug Knete für schneller, höher, weiter? Na, wie schaut es denn aus mit dem Body? Seid ihr noch die Häschen, die vor sich herhoppeln und flüstern: Ich kann heute abend nicht, ich hab noch ein Date! Mega out! Ihr habt nicht begriffen! Man hat Events zu haben, keine Dates. Versteht ihr, Love Parade, Christopher Street Day, da sind die Millionen, nicht hier! Wo sind die Handies, ich höre keine Handies? Ihr seid nicht zu erreichen, das Leben brummt an euch vorbei! Dumm gelaufen! Ihr müsst heute schon die Klamotten aus dem Sommerschlussverkauf 2001 um eure Gräten wickeln. Und eure Computerspiele? Als ihr vor einer halben Stunde den Kasten ausgemacht habt, meintet ihr noch die Kings zu sein. Wenn ihr wieder aufs Knöpfchen drückt, seid ihr schon von gestern, die Spiele sind schon längst getoppt. Ihr seid schon wieder zu spät und den, der zu spät kommt, bestraft ja bekanntlich das Leben.
Aber, ich habe schon begriffen! Ihr macht hier momentan nur eine kleine Pause und danach seid ihr wieder die Tiger, die Trendsetter, schrill, laut, Leben live, von Event zu Event, alles am Mann, alles an der Frau, einfach nur grell.
Es gibt halt Leute, die brauchen nicht erst gebeten zu werden: „Komm doch, rück nach vorne, für dich ist in der ersten Reihe ein Platz frei.“ Nein! Die sitzen einfach immer in der ersten Reihe, nicht bei den öffentlich rechtlichen, nein, im Leben! Also, ich will hier nichts mieser machen als es manchmal ohnehin schon ist. Zugegeben: Bei der Love Parade konnte ich nicht, beim Christopher Street Day war ich in Köln. Mein Handy liegt in der Sakristei. Für Computerspiele bin ich zu doof. Auf Klamotten lege ich auch ein bisschen wert. Und es bedeutet mir sehr viel mit euch heute abend Gottesdienst zu feiern. Meine momentane Lieblingsinterpretin ist Cher und der Titel, der mich nicht stillsitzen lässt ist „All or nothing“, direkt gefolgt von „believe“. Mit Freunden und Freundinnen tanze ich: „All or nothing“ und ich habe mich für „all“ und gegen „nothing“ entschieden.
Ich tanze weil ich noch Träume habe. Ihr wißt doch, was Träume sind! Ich träume den Menschen meine Liebe, dessen Hand mich hält und der mir seine Nähe schenkt. Ich träume davon, so sein zu wollen, wie Gott mich gemacht hat und ob das nun allen anderen paßt oder nicht ist mir egal. Ich habe keinen Bock auf jeden Trend. Ich möchte tun was schön ist und laut behaupten können: „Perfekt bin ich nicht aber auch nicht fertig!“
Ich träume von Menschen mit Zivilcourage, die nicht von der Masse sich treiben lassen nach dem Motto: „Freßt Scheiße, ne Million Fliegen können sich nicht irren!“ Nein! Ich träume von Menschen, die protestieren, wenn andere Menschen in die Enge getrieben werden, wenn Gewalt im Großen wie im alltäglichen regiert oder irgendwelche selbsternannten Moralapostel entscheiden, welches Lebensgefühl erlaubt ist und welches nicht in unsere Gesellschaft paßt.
Ich träume von Menschen, die begriffen haben, dass niemand sich selbst gemacht hat, sondern dass jeder von uns ein einmaliges Geschenk ist. Jeder von uns ist darüber hinaus ein beschenktes Geschenk, beschenkt mit dieser zerbrechlichen Schöpfung, unserem Planeten Erde.
Ein Sommertag, den Menschen, den wir lieben, ein Schluck Wasser und frisches Brot, den Duft einer Blume, Wind um die Nase, Worte mit Verstand, welch ein Geschenk, und dann noch ein Lied und die Lust zu tanzen. Ja, ihr kennt diese Träume, es sind auch eure Träume.
Ich tanze, weil ich mich entschieden habe, gegen ein „nothing“ und für ein „all“! Ein „all“ auf der Seite des Geschenkes Leben. Davon träume ich, von Menschen auf der Seite des Lebens. Ich tanze, weil ich Träume habe, doch Träume von Menschen habe ich, weil ich glaube.
Ich glaube diesem Jesus von Nazareth, dem Sohn Gottes. Seinem Wort glaube ich, denn er spricht von diesem „all“,s weil er gegen ein „nothing“ ist. Er ist für das „alles für das Leben“, er ist für das Überleben der Menschen und dafür hat er alles gegeben. Dafür lohnt es sich immer wieder hier zu treffen um Ihn mitten unter uns zu feiern. Ihm Dank zu sagen, um so immer neuen Mut zu sammeln für ein „all“ und gegen ein „nothing“. Ich tanze, weil ich vom und für den Menschen träume, ich träume, weil ich an Gott und die Gemeinschaft mit Ihm glaube.
Nochmals die Frage, die ich am Anfang gestellt habe: Was habt ihr zu bieten? Könnt ihr mithalten? Habt ihr begriffen, was wirklich abgeht? Menschen, die aus Freude noch tanzen können, die tanzen, weil sie Träume vom Menschen haben und die träumen können, weil sie glauben an unseren Gott des Lebens, die haben was zu bieten und die haben wirklich begriffen. Die haben mehr begriffen, als für Knete an schneller, höher, weiter, schriller zu haben ist. Die haben begriffen: Freude an dem Leben zu haben, so wie Gott es uns geschenkt hat und er es uns spüren lässt. Zu träumen vom Menschen auf der Seite des Lebens mit Zivilcourage, Mut und Visionen. Zu glauben an Gott in Jesus Christus, der alles für unser Leben und Überleben getan hat.
Aber wenn wir dann merken, dass wir doch noch eine ganze Menge falsch gemacht haben, uns selber nur schwer annehmen können, am Leben auch gelitten haben, wenn uns der Mut fehlte gegen den Strom zu schwimmen, da wo wir es richtiger fanden und dann da stehen mit dem Gefühl nicht alles sondern „nothing“ zu haben! Dann gilt diese Einladung Jesu auch uns: „Komm, verstecke dich nicht dahinten. Komm nach vorne, nimm Platz im Leben.“
Ein Wunsch für dich
Ich bitte nicht, du mögest niemals so einen Schmerz in deinem Leib zwischen Herz, Fleisch und Muskeln spüren, der dir Angst einflößt, unwissend, ob er vergeht oder Anfang deines Endes ist?
Ich bitte nicht, dir möge die Frage erspart bleiben, geht das mit dem Geldverdienen weiter, werde ich in Zukunft meine Fähigkeiten einbringen können, finde ich morgen noch Bestätigung?
Ich bitte nicht, der Zweifel möge niemals an dir nagen: Was bin ich noch wert, werde ich nicht doch eines Tages weggeworfen, liebt mich überhaupt noch ein Mensch, bin ich nicht einfach nur ein überflüssiges Auslaufmodell?
Ich bitte nicht, dir möge dieses große schwarze Loch ohne jeden Halt erspart bleiben, in das du einfach nur hineinstolperst.
Ich wünsche dir nicht, dass all das nicht geschehen möge, was geschehen wird.
Mein Wunsch für dich:
Haut, die dich streichelt und hofft aus Liebe gestreichelt zu werden.
Hände, die dich schützen und die du zu halten dich sehnst.
Augen, die dir nachgehen und die du entdeckst.
Ein Wort, das dich trägt, fremd der Lüge und ein Mund, der es nie vergissst.
Ich wünsche dir ein du und diesem du dich bis dorthin, wo uns nichts mehr halten kann!
Diese Predigt wurde im Rahmen der Anna-Woche 1999 in St. Anna, Düren gehalten. „Ein Wunsch für Dich“ aus: „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.