Faxbox-Predigt zum Neujahr 1996
Noch sind sie frisch, die gut gemeinten Wünsche zum neuen Jahr, die in unseren Ohren noch nachklingen: „Ein frohes Sechsundneunziger“, „Zum neuen Jahr alles Gute“, „Gottes Segen in 1996″…
Vom Bundeskanzler bis zum Präsidenten, vom Arbeitskollegen bis zur Marktfrau, vom Pfarrer bis zur Ärztin, vom Friseur bis zur Nachbarin, vom Vater bis zur Tochter, sie alle haben für uns, so auch wir für sie, eben einen guten Wunsch fürs neue Jahr. Doch was steckt eigentlich konkret hinter diesen Wünschen „Ein frohes neues Jahr“…. Meist bleibt keine Zeit dem nachzusinnen oder nachzufragen, denn kaum ist der Wunsch ausgesprochen, ist man meist schon außer Sichtweite.
Da hilft uns vielleicht eine Umfrage des Forsa-Institutes weiter, die nachgefragt hat, was sich die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger selbst für 1996 wünschen bzw. sich selbst vornehmen. Denn ein guter Vorsatz für sich selbst, also etwas, das man ganz bewusst in die eigene Hand nimmt, ist ja auch ein guter Wunsch für den Anderen, dass auch er in seinem Leben etwas ganz bewusst neu anpackt. Doch bei dieser Umfrage schauen wir erst einmal in die Röhre, denn 50% der Befragten haben keinen besonderen Vorsatz. Das lässt zu wünschen übrig. Jedoch 16% der Befragten hat zu mindest den Vorsatz gesund zu leben. Das wäre doch schon ein guter Wunsch auch für andere. Der Vorsatz, mehr Engagement im Beruf, den 14% beschlossen haben, ließe sich sicherlich auch so manchem wünschen. Die 7%, die mit dem Rauchen aufhören wollen, kann man nur mit einem kräftigen Wunsch unterstützen.
Im Vergleich zu Vorjahren ist es schon sehr auffällig, dass die Menschen, die in Deutschland leben, immer weniger Mut zu einem Vorsatz haben, sich selbst weniger wünschen, weniger bewusst anpacken wollen.
Was bedeutet das?
Sind wir schon so perfekt, dass wir den Wunsch zum guten Vorsatz nicht mehr nötig haben? Oder gehen die meisten auf Nummer Sicher nach dem Prinzip: Kein Vorsatz und, so bei nicht gelingen, auch kein Frust. Ist es vielleicht nur Gedankenlosigkeit? Oder ist es Fatalismus nach dem Motte „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“. Ein solcher Fatalismus mag bei manchen entstanden sein auf dem Hintergrund einer hier etwas scherzhaft formulierten Erfahrung: An einem ganz misslungenen Tag, sprach eine Stimme zu mir: „Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen“. Und ich lächelte, und ich war froh, und es kam schlimmer. Verbirgt sich etwa hinter dieser zunehmenden, uns selbst betreffenden, Vorsatzlosigkeit und Wunschlosigkeit die Hoffnung, möge das kommende Jahr soweit wir es selbst im Griff haben mehr oder minder so bleiben wie das vergangene Jahr?
Ein in diesem Sinne letztlich auf Nummer Sicher gehen wollen, heißt im gerade begonnenen Jahr bewusst und gewollt auf der Stelle zu treten.
Ein, aus eigener Kraft, nichts bewegen wollen. Wenn wir kaum noch wünschenswerte Vorsätze für uns mehr haben, dann lassen wir uns nur noch durch das Bewegen, was um uns herum geschieht, was von außen auf uns einwirkt. Kurz gesagt bedeutet dies: Den eigenen Status quo halten ansonsten Fremdbestimmung!
Einer solchen Haltung läuft Eindeutig das Evangelium des heutigen Tages entgegen. Würde die eben erwähnte Umfrage vor fast 2000 Jahren am Jordan gemacht worden sein, dann würde der Vorsatz eines Menschen alle anderen ins Staunen versetzen, der Vorsatz Jesu. Jesu Vorsatz ist es, den Menschen zu sagen, dass Gott ein unerschütterliches Interesse an jedem einzelnen Menschen hat und weiter sagt Jesus: Ich wünsche mir, dass Ihr durch mich spürt, wie verliebt Gott in Euer Leben ist. Diesen Vorsatz und Wunsch nimmt Jesus in die eigene Hand. Er tritt nach 30 Lebensjahren aus der Unbekanntheit heraus mitten in das Leben der Menschen. Jesus reiht sich ein in die religiöse Tradition seines Volkes und lässt sich von Johannes taufen. An dieser Stelle nun versucht der Evangelist Matthäus einen gigantischen Augenblick im Bild festzuhalten. Eine Stimme aus dem Himmel offenbart: „Das ist mein geliebter Sohn“. Das eigene Leben, das dieser geliebte Sohn Gottes, das Jesus selbst in die Hand nimmt, ist die Tuchfühlung Gottes mit den Menschen. Dieser neue Abschnitt im Leben Jesu ist die Liebeskundgabe Gottes bis ins Heute an Sie und an mich. Diese Wende in Jesu Leben wendet das Leben der Menschen durch die einmalige Zusage: Mensch, zum Heil bist Du bestimmt! Jesu nimmt sein Leben in die Hand, er richtet es ganz konkret auf sein Wünschen und seinen Vorsatz aus, Erzählung von Gott zu sein, und geht seinen Lebensweg konsequent als die Liebe Gottes. Da dürfen wir einfach dankbar sagen, wie gut, dass Jesus nicht auf der Stelle getreten ist und in der Verborgenheit blieb. Wie gut, dass Jesus nicht wartete bis man ihn rief, sondern selbst aktiv wurde und sich mitten in das Leben der Menschen stellte. Hätte er still gehalten, wäre es um uns still und hoffnungslos geblieben.
Zu Beginn diesen neues Jahre sei die Frage erlaubt: Was würde Jesus uns als Vorsatz mit auf den Weg geben, was würde er uns wünschen für das Jahr 1996?
Vielleicht klänge es so:
„Du Mensch, sag heute ein neues Ja zu Deinem eigenen Leben und in Deinem Leben ein neues Ja zu mir“.
„Du Mensch, und wenn Du merkst, dass durch Dein Ja zu mir in Deinem Leben Du eigentlich etwas mehr Zeit für das Leben Anderer haben müsstest, so nimm Dir diese Zeit“.
„Du Mensch, und wenn Du merkst, dass durch Dein Ja zu mir in Deinem Leben, Du eigentlich etwas vergebungsbereiter sein solltest, so sei es doch“.
„Du Mensch, und wenn Du merkst, dass durch Dein Ja zu mir in Deinem Leben Du eigentlich etwas geduldiger mit Dir und den anderen sein solltest, dann gönne Dir diese Geduld“.
„Du Mensch, und wenn Du merkst, dass durch Dein Ja zu mir in Deinem Leben Du nun eigentlich … dann …“
(Prediger bzw. Predigerin bleibt eine halbe Minute in Stille am Ambo stehen.)
Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.