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Flucht-Punkt

Punkt, ein kleiner, fast runder Punkt,
einfach doch nur so etwas wie ein Punkt!

Er war in diesem Augenblick alles,
geteilte Aufmerksamkeit kann er nicht dulden,
es zog in seinen Bann,
und ohne zu wissen war dieser Punkt die Prostitution des Nichts,
dieses Nichts, die Verlogenheit der Leere,
die Leere das Selbstmitleid der Enttäuschung und die Enttäuschung der Irrtum einer Hoffnung.
Zwei Augen starren auf diesen Punkt, gebannt von all dem was dieser Punkt nicht ist und auch nie zu sein vorgab, wie auch!

Es war nur ein Punkt an der Wand, dieser Punkt die Mitte eines Nabels, des Nabels eines kleinen Bauches, des Bauches einer fetten, goldenen Putte, aufgehängt an der Wand vor dunkelblauem Velour, angestrahlt.

Die Putte ist nicht allein, kleine kitschige Sterne geben ihr einen Rahmen, den der Lichtstrahl noch in seiner letzten Kraftlosigkeit übertritt.

Schon geben weitere Lichter einem Raum Konturen. Bewegte Lichtkörper gleiten über den Boden, stoßen in Ecken an, flüchten über Wände, verlieren sich in Spiegeln, um durch den Raum geworfen noch vor den Fenstern zu erlöschen.

Immer wieder huschen bunte Kegel über abgelegte Jacken, tanzen durch die Gläser, spielen in den Wassertropfen auf der Theke und verschwinden in Ritzen und unter Kanten.

Unangekündigt schießen kalte kräftige Lichtstrahlen wie von starkem Arm geworfen durch den Raum, für Sekunden erblinden Augen, um sich wieder zu öffnen, erkennen was für einen Nadelstich verloren.

Blicke halten inne, dann streifen sie Meter um Meter über Stühle, den Tresen und die Tische, weichen den Lichtgeschossen aus, treffen Augen. Sie schauen weg, gucken hin, verstohlen entdecken sie Nasen, Wangen, Münder, Ohren, Haare, steigen hinab bis zu den Füßen, steigen hinauf um den Aschenbecher zu suchen.

Eine Hand erhebt sich mit einem Glas zum Trinkspruch, bereit eine Pilsstange vorsichtig zu berühren vom hellen Klang nicht überrascht. Zwei, drei Sekunden und der Klang ist aufgesogen von Worten, untergegangen in Gesprächen und verhallt in Geräuschen vielerlei Art.

Stimmen werden lauter und wieder leiser, ganz nach dem Diktat von Klang und Bass. Töne jagen durch den Raum, nichts kann sie halten, gleiten an den Wänden vorbei, umwerben Körper, setzen sich fort in bizarrer, mal filigraner Bewegung. Menschen, Lichter, Töne, Worte vermischt ohne zu verschmelzen in dieser Badewanne einiger Stunden Leben, um sich zu verabschieden, einfach nur so zu gehen oder vielleicht auf ein Wiedersehen.

Zwei Augen starren auf diesen Punkt, gebannt von all dem, was dieser Punkt nicht ist und auch nie zu sein vorgab, wie auch!

Aus „Dank Dir auf den Leib geschrieben – Ein Geschenk zum Weiterdenken“ erschienen beim Bergmoser + Höller Verlag, 1999.
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