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Das Göttliche im Menschlichen entdecken

Das Göttliche im Menschlichen entdecken

Die Homepage von Hochschulpfarrer Christoph Stender, Aachen, als Materialsammlung für religionspädagogische Angebote

Ralf Commer

Stender präsentiert eigene Texte zu verschiedensten gesellschaftlichen und religiösen Themen: Christliche Feste wie Weihnachten und Ostern beschäftigen ihn ebenso wie der Krieg im Kosovo, soziale Kompetenz im Kontext der Hochschulausbildung oder die Reichsprogromnacht. Auch theologische Fragen werden auf Stenders unverwechselbare Art und Weise gegen den Strich gebürstet: Kreuzverehrung, Maria, das Te Deum, Kirchensprache heute oder Gefängnisseelsorge.

Stets geht es ihm um existentielle Themen, die Menschen heute bewegen und zur Stellungnahme herausfordern: Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit, Tod und Sterben, Sinn, Freiheit, Gebet, die Frage nach individueller Identität und Lebensgestaltung und nach Gott. Die von Stender gewählten literarischen Formen entsprechen in ihrer Unterschiedlichkeit den ausgewählten Gegenständen: Lyrik, Prosa, Artikel, Predigten und Vorträge. Die von Stender geschriebenen und gesprochenen Worte sind – nach seiner eigenen Auskunft – so vielfältig wie all das, was in Gesellschaft, Politik und Kirche, aber auch ganz persönlich in seinem eigenen Leben vorgeht.1 Auch darin liegt ihre Authentizität.

In seiner wiederholten Beschäftigung mit dem Domschatz zu Aachen wagt er einen neuen Blick auf alte Kunst. Reliquien erwachen in neuem Licht zu unerwartetem Leben. Die große Glaubensgeschichte wird in einen ungewohnten Zusammenhang gestellt mit der individuellen Lebensgeschichte der Menschen. Ein Perspektivenwechsel ermöglicht es ihm, Kunst als Verkündigung zu verstehen und zu interpretieren sowie gleichzeitig Kunst und Künstler in ihrem eigenständigen und unabhängigen Wert zu schätzen.

Seine Exerzitien im Alltag wollen dazu anregen, das Göttliche im Menschlichen zu entdecken. Stender ringt in seinen Texten um Worte, die persönliche Sprache sind. Überlieferte und tragfähige Inhalte, in einer theologischen oder liturgischen Fremdsprache überkommen, will er mit heutigen Worten auf die Lebensbedingungen des heutigen Menschen und auf die ihn bewegenden Themen bezogen neu sagen. Seine Arbeiten regen so zur Glaubenskommunikation an.

Dabei bewegt Stender sich in einem Spannungsfeld: In einer religionsfreundlichen und gleichzeitig kirchenkritischen Zeit, die sich dadurch auszeichnet, dass christliche Religion sich von der Institution Kirche weg verlagert ins Belieben eines jeden Individuums,2 macht er den Wert und die Unverzichtbarkeit von Überlieferung und Institution plausibel. Gleichzeitig hält er jedoch an der Welterfahrung des heutigen Menschen fest und formuliert seine Texte bewußt innerhalb dieses Kontextes auf den Menschen (und damit auf sich selbst) hin. Es geht ihm darum, „Gott als den in Jesus Christus den Menschen rufenden“ und angehenden ins Gespräch zu bringen, „der im Heiligen Geist dem Menschen unter die Haut gegen will.“3 Dies stellt den tragfähigen christlichen Ausgangspunkt für die je persönliche Gestaltung der eigenen Biographie dar, die heute mehr denn je Wahlbiographie und Wagnis ist. Der Mensch ist von Gott als Individuum berufen, und er kann diesem Ruf nicht anders als ganz individuell folgen4 – und dies entsprechend Mk 1,15: „Du bist willkommen. Lass Dich auf das Reich Gottes und die Begegnung mit Gott ein und mache die Dir im Augenblick möglichen kleinen oder größeren Schritte.“5 Stender macht es sich zu Aufgabe, Gespür, Sensibilität und Aufmerksamkeit für diese je individuelle Berufung zu wecken. Er ermutigt dazu, das Wagnis des Ringens um christliche Identität heute einzugehen. Aus christlicher Perspektive ist Identität stets geglaubte Identität und damit eine religiöse Kategorie. Was Klaus Hemmerle über das Verhältnis von Glauben und Denken schrieb, gilt auch für das Verhältnis von Glaube und Identität: „Ich glaube mich Dir“ – mit diesen Worten verdankt der Mensch seinem Gott seine Identität.6

Religiöse Bildung und Entwicklung haben einen festen Platz in Schule und Erwachsenenbildung. Ziel der pädagogischen Arbeit ist die „verantwortliche Gestaltung des sozialen Lebens in all seinen Ausprägungen“ und die „Entfaltung aller positiven Anlagen im Menschen“. Im Vordergrund steht die Fähigkeit, Lebenssituationen zu deuten und „in eigener Verantwortung zu gestalten.“ Dabei liegt die Freiheit des Individuums darin, „zwischen Verhaltensalternativen auswählen und sich aus unreflektierten Abhängigkeiten (religiöser, sozialer oder biographischer Herkunft – Anm. d. Verf.) befreien zu können.“ Die Bedeutung historischer Kompetenz ist dabei kaum zu unterschätzen.7

Stenders Homepage bietet diesbezüglich reichhaltiges Material für die Nutzung in Schule, Erwachsenenbildung und Katechese. Die Auseinandersetzung mit seinen Gedanken und Impulsen kann fruchtbar genutzt werden für die persönliche Entwicklung und für das Reifwerden im Glauben. Für Leser, die sich selbst als religiös indifferent und kirchenfern einschätzen, bieten die Texte ebenso viel Reibungsfläche und Anregung wie für kirchlich gebundene Menschen. Stenders Arbeiten wollen den Sinn dafür eröffnen, dass Menschen im und für ihren Glauben eigene Gestaltungskompetenz im Rahmen lebenslangen Lernens besitzen.8

Seine Texte können sowohl fruchtbare Gesprächsgrundlage für den Religionsunterricht als auch Grundlage für persönliche Meditation sein. Ebenso eignen sie sich zum Einsatz in der Katechese, die als Unterweisung hinführen will zur Feier des Glaubens. Stenders Texte eröffnen den Blick auf eine andere Dimension des griechischen Begriffs „katechein“. Das Verb im transitiven Sinne bedeutet „entgegentönen“. „Das fremd Entgegentönende,“ das stets größere Geheimnis Gottes, wird so von Menschen miteinander bedacht und gefeiert, dass es möglich wird, Erfahrungen miteinander zu teilen, zu versprachlichen und identitätsstiftend zu deuten.9

Die Homepage ist sehr ansprechend, dabei jedoch in keiner Weise aufdringlich gestaltet. Das Design läßt die Inhalte in den Vordergrund treten. Menüführung und Aufbau sind logisch, übersichtlich und eingängig. Besonders positiv hervorzuheben sind interaktive Elemente, z.B. in der Adventaktion 2001 „Interpunktion“. In dieser Aktion bot Stender täglich neue Bibelstellen, ergänzt um einen Impuls und weitere Anregungen für den Tag. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden eingeladen, in einem Forum ihre Gedanken mitzuteilen. Die Resonanz auf das zeitlich begrenzte Angebot war jedoch relativ gering. Dies ist vielleicht mit der hohen Komplexität und der Länge einiger Texte zu erklären, in denen Stender wichtige Grundsätze der Texterstellung für die Online-Rezeption vernachlässigt. Allerdings scheint das Angebot von recht vielen Personen genutzt worden zu sein, denn die Anzahl der Besucher – so ist im derzeitigen Editorial10 zu lesen – hat sich in dieser Zeit verdoppelt. Für zukünftige Aktionen scheint jedoch angeraten, die Texte bereits in der Konzeption auf Interaktion anzulegen.

Insgesamt stellt die Homepage eine große Bereicherung für die pädagogische und katechetische Arbeit mit Erwachsenen und jungen Erwachsenen dar.

1 http://www.christoph-stender.de/texte/ (Stand: Januar 2002)
2 Ottmar John, Unterwegs zur Begegnung, in: Manfred Entrich, Joachim Wanke (Hrsg.), In fremder Welt zu Hause. Anstöße für eine neue Pastoral, Stuttgart 2001, 57.
3 Eva-Maria Faber, Den ganzen Einsatz zumuten, in: Manfred Entrich, Joachim Wanke (Hrsg.), In fremder Welt zu Hause. Anstöße für eine neue Pastoral, Stuttgart 2001, 45.
4 Eva-Maria Faber, Den ganzen Einsatz zumuten, in: Manfred Entrich, Joachim Wanke (Hrsg.), In fremder Welt zu Hause. Anstöße für eine neue Pastoral, Stuttgart 2001, 37-45.
5 Albert Biesinger, Familien: Gott im Nahbereich, in: Manfred Entrich, Joachim Wanke (Hrsg.), In fremder Welt zu Hause. Anstöße für eine neue Pastoral, Stuttgart 2001, 155.
6 Klaus Hemmerle, Auf den göttlichen Gott zudenken (Ausgew. Schriften, Bd. 1), Freiburg i.Br. 1996, 141.
7 Hubert Neuhäuser, Praxisfeld Erwachsenenbildung, in: Elisabeth Badry/Maximilian Buchka/Rudolf Knapp (Hrsg.), Pädagogik. Grundlagen und Arbeitsfelder, Neuwied/Kriftel/Berlin 1992, 333-334.
8 Hubert Neuhäuser, Praxisfeld Erwachsenenbildung, in: Elisabeth Badry/Maximilian Buchka/Rudolf Knapp (Hrsg.), Pädagogik. Grundlagen und Arbeitsfelder, Neuwied/Kriftel/Berlin 1992, 335.
9 Franz-Peter Tebartz-van Elst, Christ werden – Christ bleiben. Katechumenale Katechese und mystagogische Liturgie in neuer Synergie, in: Manfred Entrich, Joachim Wanke (Hrsg.), In fremder Welt zu Hause. Anstöße für eine neue Pastoral, Stuttgart 2001, 119.
10 http://www.christoph-stender.de (Stand: Januar 2002)
Quelle: Engagement – Zeitschrift für Erziehung und Schule, Aschendorff Verlag, 2/2002
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