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Auch die Iraker fürchten Saddams Rache

Auch die Iraker fürchten Saddams Rache

Der Aachener Student Mohammed Saed bangt um das Leben seiner Verwandten in Bagdad

Ein Mal noch, vor etwa einem Monat, ist es Mohammed Saeds Onkel gelungen, sich per Handy zu melden. „Er hat mir erzählt, dass die Alarmsirenen in Bagdad überprüft werden, die Keller werden hergerichtet für die Bombardements. Jeder rechnet damit, dass er stirbt.“ Saeds Verwandte leben tast alle in der irakischen Hauptstadt. Der 21-Jährige Iraker will einen Beitrag leisten, den Menschen in Aachen klar zu machen, dass der Krieg sie etwas angeht. Weil die Bomben, wenn sie fallen, auch ihre Nächsten treffen können.

Geben die Hoffnung nicht auf - und wollen möglichst viele Menschen für Gespräche gewinnen. Mohammed Saed (Mitte), KHG-Referent Markus Reissen (links) imd Hochschulpfarrer Christoph Stender. Foto: Michael Jaspers

Aachen. Viele der rund drei Millionen Menschen in der irakischen Metropole wüssten noch aus eigener Erfahrung, dass die Mächtigen in Washington nicht nur drohen, unterstreicht der junge Araber. „Die US-Regierung hat gesagt: ‚Es wird keinen sicheren Ort in Bagdad geben, wenn wir angreifen.'“ Mohammed hat Angst. Nicht so sehr um sich selbst. Sondern um seine Eltern, seinen Bruder, seine Onkel und Tanten, die Cousinen und Vettern. Dennoch hat er sich entschlossen, die Flucht nach vorn anzutreten. „Ich möchte mich der Situation stellen“, sagt der 21-Jährige. Die Situation ist die: „Fast alle meiner Angehörigen haben ihr Testament gemacht.“

Telefonverbindungen sind seid Wochen abgebrochen

Er hat mit ihnen darüber nicht mehr viel reden können. Seit Wochen sind die Telefon- und Mailverbindungen abgebrochen. Im interreligiösen Gesprächskreis der Katholischen Hochschulgemeinde trifft der FH-Student der Informatik sich regelmäßig mit Kommilitonen aus allen möglichen Kulturkreisen. Auch, weil er jetzt Menschen braucht, die ihm zuhören, möglichst ohne Vorurteile. „Viele Ausländer“, berichtet er nachdenklich, „reagieren sehr positiv, wenn sie erfahren, dass ich Iraker bin.“ Nicht nur Araber klopfen ihm gelegentlich auf die Schulter und raunen ihm ein paar anerkennende Worte über den Mann im Zweistromland zu, der den Amis die Stirn biete. „Viele Deutsche dagegen“, erzählt er, „wenden sich ab, wenn sie erfahren, woher ich komme.“ der Möglicherweise „nur“ aus Verunsicherung. „Zumindest erwarten sie, dass er sofort Stellung bezieht gegen Saddam“, weiß KHG-Referent Markus Reissen. „Saddam ist nicht der Irak, und der Irak ist nicht Saddam“, sagt Mohammed. Klingt so simpel und scheint doch zuweilen schwer zu vermitteln. „Die Mehrheit des Volkes lehnt ihn ab. Aber die Menschen wissen: Wenn sie sich gegen das Regime stellen, sind sie tot. Wenn die USA ihr Land angreifen, wahrscheinlich ebenso.“ Seine Landsleute, zermürbt durch das zwölfjährige UN-Embargo, sähen keinen Ausweg aus dem Dilemma. „Ich glaube, Saddam hasst sein Volk. Er weiß, dass die Leute ihn nicht mehr wollen. Sie fürchten seine Rache. Auch mit Massenvernichtungswaffen, sobald er keine Chance mehr für sich sieht.“

„Ich glaube nicht, dass es um Menschenrechte geht“

Natürlich hat Mohammed sich der jüngsten Großdemo gegen die Angriffspläne der Bush-Regierung angeschlossen. Den Optimismus des US-Bürgers Randall J. Birnberg, der im AZ-Gespräch betonte, er glaube nicht, dass sein Länd gewillt sei, einen verheerenden Flächenbrand im Mittleren Osten zu entfachen, kann er nicht teilen. „Ich habe nicht den Eindruck, dass es den USA in erster Linie um Menschenrechte geht“, sagt er. Worum geht es dem jungen Iraker selbst? Am morgigen Mittwoch wird Mohammed im Rahmen der neuen interreligiösen KHG-Reihe ,,Viertel vor zwölf“ (siehe Info) einen Beitrag über ,,Gedanken des Friedens im Koran“ gestalten. Hochschulpfarrer Christoph Stender formuliert die Motive des jungen Irakers so: ,,Die Aachener sollen sehen, dass dieser Krieg nicht weit weg ist, sondern dass er auch, ganz konkret, hier vor Ort stattfindet. Weil Mohammed und seine Familie jetzt ganz konkret bedroht sind.“

„Gedanken zum Frieden“ und ein zerstörter Kelch aus dem Dom

„Es ist Viertel vor zwölf – Gedanken zum Frieden“, heißt eine neue KHG-Veranstaltung, die jeden Mittwoch, 11.45 Uhr, in den Katakomben, PontstraBe 74-76, stattfindet. Im Foyer hat der interreligiöse KHG-Gesprächskreis ein Ensemble von Objekten und Texten eingerichtet, die das Miteinander der Völker und den Horror des Krieges – auch am Beispiel der Aachener Geschichte – illustrieren. So wurde ein symbolischer Glastisch geschaffen, ein verbeulter Kelch aus dem Dom erinnert an einen schweren Bombeneinschlag, der das Münster am Heiligen Abend 1943 traf. Beim nächsten Treffen am 5. Februar werden Repräsentanten aller großen Religionen in Aachen zugegen sein.

Quelle: Aachener Zeitung, 4.2.2003.
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