Kindheitserinnerung, die mir fast heute scheint wie ein Märchen zu beginnen: Damals bin ich sonntags von zu Hause losgegangen, zügig um an diesen mir so vertrauten Ort zeitig zu gelangen.
So rechtzeitig angekommen und endlich Platz genommen begann unser „Wir“.
Schon mit dem Beginn des Gottesdienstes besingen wir oft dieses „Wir“: „Wir wollen alle fröhlich sein…“.
Der Stammteil im Gotteslob führt über 10 Lieder auf, die mit dem „Wir“ beginnen, von „Wir danken dir Herr Jesus Christ…“ über „Wir glauben an den einen Gott…“ bis hin zu „Wir sind nur Gast auf Erden…“.
Viele Elemente des Gottesdienstes wollen dieses „Wir“ atmen lassen: Wir singen, wir beten, wir feiern, wir erinnern, wir vergegenwärtigen, wir loben, wir werden still, wir kommunizieren und absehbar gehen wir in Frieden wieder nach Hause.
Corona hat dieses „Wir“ positioniert, neue Distanzen geschaffen, bekannte Berührungen neu geordnet, um sie zu verhindern.
So wurde z.B. der Friedensgruß nicht mehr gegeben, sondern wenn überhaupt friedlich zugewunken oder zugenickt, was insgeheim der eine oder die andere begrüßte. Mit der Mund- Nasenbedeckung war es dann auch vorbei mit dem entspannten Gesang „Wir wollen alle fröhlich sein…“, die Maske würgte die Stimmen.
Gerne würden die Gemeinden dieses Kapitel mit einem begleitenden Gedanken wie „es war einmal“ abschließen
Aber nach der Coronadominanz kommt das alte „Wir“ nicht mehr wie vor Corona so einfach um die Ecke. Das „Wir“ hat Menschen verloren: Coronatote. Das „Wir“ hat Menschen verloren: Ehemalige Gottesdienstbesucher, denen ihre Identifikation mit ihrer Kirche abhandengekommen ist.
Das „Wir“ hat Menschen verloren: Jene, die in der Abstinenz spürten das „Wir“ nicht zu vermissen.
Corona hinterfragt ungefragt die, die vom „Wir“ noch übriggeblieben sind, wie ehrlich das „Wir“ vor Corona von innen her wirklich ein vom Du und Ich getragenes „Wir“ war.
Corona drängt uns nüchtern zu fragen: War die Distanz von mindestens 1,5 Metern, die Corona uns verordnet hat und die durch leere Plätze rechts und links präsent war (und ist) nicht auch vor Corona schon Realität, nur weniger sichtbar?
Die leeren Plätze, die Corona unserem „Wir“ aufgezwungen hat, könnten uns motivieren ein altes Kinderspiel in Gedanken zu versuchen: „Mein rechter, rechter Platz ist leer und ich rufe mir den oder die … her!“ Vielleicht ist dieses Spiel für uns Erwachsene zu naiv, aber trotzdem bedarf ein „Wir“, das zukünftig trägt, Christinnen und Christen, die rufen, die einladen, die interessiert am Anderen sind und die Entfaltungsmöglichkeiten schaffen. Das ist der Boden, auf dem ein „Wir“ wachsen kann, dass durch die Feier des sonntäglichen Gottesdienstes trägt, hinein in unseren Alltag.