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Predigt anlässlich der Renovabis-Pfingstaktion 2022 „Dem glaub ich gern“

Predigt: Pfarrer Christoph Stender

Liebe Schwestern, liebe Brüder im Glauben.

Dem glaub ich gern! Diese Gewissheit war den ersten Begleiterinnen und Begleitern Jesu gemeinsam. Voller Begeisterung verbreiteten sie ihre Überzeugung: Diesem Jesus, dem glaub ich gern! Ihre Überzeugung stand so am Beginn der Ausbreitung des Christentums. Noch waren keine Berichte über Jesus schriftlich verfasst, so wie sie uns heute in dem Sammelband der Bibel zur Verfügung stehen. Jesu Botschaft von Gott, dem liebenden Vater, von Umkehr auf die Wege unzerbrechlichem Leben als auch die Berichte von Jesu heilendem Handel, wurden von Mund zu Mund weitergegeben, wurde erst einmal „nur“ erzählt.

So faszinierend diese Erzählungen aber auch waren und so begeistert sie auch aufgenommen wurden, wichtig war den Menschen zur Zeit Jesu die Glaubwürdigkeit derer, die erzählten. Die Annahme der Glaubwürdigkeit der Erzählerinnen und Erzähler war in der Regel die Voraussetzung dafür, dass ihnen überhaupt zugehört wurde, um dann das Gehörte gegebenenfalls auch verlässlich weitererzählen zu können.

Das Vertrauen der Hörerschaft in die Erzählerinnen und Erzähler, sowie ihre Bereitschaft selbst unvoreingenommen zuzuhören, ließ in der Nachfolge Jesu, Schritt für Schritt die Erzählgemeinschaft werden, die wir als Gemeinschaft der Christinnen und Christen bis heute weiterhin sind.

In dem Evangelium zum Pfingstfest geht Johannes an den Beginn der Erzählgemeinschaft zurück und berichtet von den Jüngern Jesu, die aus Angst hinter verschlossenen Türen beisammen waren. Aber ein angstvolles Beieinanderhocken, ein sich Einschließen ist keine gute Voraussetzung, glaubwürdig die Worte Jesu zu verkünden. Die Botschaft Jesu braucht Freiraum, in dem sie ihre Kraft entfalten kann und so Menschen spüren lässt, dass die Worte Jesu das eigene Leben verändern können.

Deshalb tritt Jesus in die Mitte seiner gelähmten Jünger und sagt klar: „Ich sende euch!“ Jesus kommt ihnen nahe, haucht sie an, und sagt ihnen zu: „Empfangt den Heiligen Geist.“

Dieser Geist macht lebendig, motiviert, ermutigt, hilft abzuwägen und zu entscheiden. Dieser Geist Gottes befreit den Menschen von seiner Angst um sich selbst und öffnet verschlossene Türen.

Mit den Jüngern gemeinsam gingen dann geisterfüllt Frauen und Männer in die Städte und Dörfer und erzählten was sie über Jesus gehört hatten, wie sie über ihn dachten und dass er ihr Herz berührt hat. So wächst durch die Erzählung dieser einzigartigen Persönlichkeit die Erzählgemeinschaft weiter, breitet sich aus, und lässt die Menschen, die Christus für sich haben entdecken dürfen, gemeinsam Kirche sein.

Liebe Schwestern liebe Brüder,

auch heute ist Kirche ihrem Wesen nach eine solche Erzählgemeinschaft. In vielen Ländern aber, so auch in Deutschland, hat die Kirche meist selbstverschuldet Akzeptanz verloren.

Menschen sprechen auch unserer Kirche jedwede positive Bedeutung ab, glauben ihr sozusagen kein Wort mehr. Der Grund dafür ist mangelnde, bis hin zu ganz verloren gegangener Glaubwürdigkeit. Das macht jene traurig und auch ratlos, die sich mit der Kirche noch verbunden fühlen.

Die Folgen daraus aber dürfen nicht sein, dass Kirche von sich aus sich abkapselt und einschließt. Auch in schweren Zeiten, in erster Linie für die Menschen, denen die Kirche Leid zugefügt hat, gilt das Wort des Apostel Paulus: „Der Glaube kommt vom Hören“ (Röm 10,17).

Wir bleiben als Christinnen und Christen gesandt, die Botschaft Jesu Christi zu verkünden und von unserem Glauben zu erzählen. Denn wenn wir nicht mehr, wenn niemand mehr von seinem Glauben an Jesus Christus erzählen würde, dann gäbe es auch nichts mehr zu hören und somit keinen Grund zu glauben.

Das katholische Hilfswerk Renovabis hält dagegen, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in diesem Hilfswerk engagieren, vom christlichen Glauben sprechen und aus der Kraft des Glaubens Menschen helfen.

Liebe Geschwister,

unser Osteuropa-Hilfswerk, Renovabis ist ein Teil der Erzählgemeinschaft die wir gemeinsam als Kirche sind. Diesem Hilfswerk schenken Menschen von Albanien bis Weißrussland und von Estland bis Tadschikistan ihr Vertrauen, weil die Menschen, die im Namen des Hilfswerk Renovabis handeln, glaubwürdig sind.

Diese engagierten Menschen, so formuliert das Werk Renovabis eines seiner Ziele selbst, möchten zeigen, dass trotz und neben vieler Erfahrungen von dem, was uns trennt wie Glaubenspraxis und Tradition, und unterschiedliche Gesellschaftsmodelle es auch vieles gibt, das uns verbindet: die gemeinsame Geschichte, der persönliche und gemeinschaftliche Glaube, die Erfahrung der Solidarität.

Renovabis ist aber keine Einbahnstraße nach Osteuropa. Das Hilfswerk ermöglicht ein Geben und Nehmen, Renovabis lebt vom Dialog, Renovabis ist ein Dialog! Dieser Dialog ist in den vergangenen Jahren in eine Krise geraten, so analysiert das Hilfswerk selbst. Zu den Ursachen gehört, dass die Gesellschaften und deren politische Eliten im östlichen Europa in einigen Bereichen deutlich andere Positionen vertreten als die westlichen EU-Mitgliedsstaaten. Ursachen sind auch kontroverse Themen wie Geschlechtergerechtigkeit und die Frage der sexuellen Selbstbestimmung. Auch das Verhältnis zwischen den Kirchen in Ost und West ist schwieriger geworden: Als Beleg dafür lässt sich das verbreitete Misstrauen in den Kirchen Mittel- und Osteuropas gegenüber dem „Synodalen Weg“ innerhalb der katholischen Kirche Deutschlands einordnen; vielfach werden die hiesigen Reformbemühungen als Vorstufe zu einer neuen Reformation oder „Abspaltung von Rom“ bewertet.

In heutiger Zeit, in der die Kontroversen zunehmen und sich oft auch zuspitzen, ist der ehrliche Dialog, das offen geführte Gespräch einzig der Würde des Menschen entsprechend.

Perspektivisch zugespitzt lässt sich in Anlehnung an das Gedicht „Friedensfeier“ von Friedrich Hölderlin (1770-1843) sagen: „Weiter ist der Mensch, seit ein Gespräch er ist“.

Wir, als Erzählgemeinschaft wollen auch zukünftig glaubwürdig bleiben und Gespräch sein. So stehen wir weiterhin zu dem klaren Dialog, dem geschwisterlichen Gespräch zwischen Ost und West. Wir wollen dieses partnerschaftliche Miteinander mit unseren Möglichkeiten und Mitteln spürbar stärken.

Lassen Sie uns hier gemeinsam Amen sagen, dass es so sei: Amen.

Pfingsten 2022
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