Gott im Kommen?
Zwischen kurzfristigem Rummel, aktuellem Trend und Lebensbegleitung
Interview mit Christoph Stender zum Papstbesuch in Bayern
Wie sehen die Studenten, mit denen Sie in Kontakt kommen, den Papst und seine Worte, die er nun in München oder im Vorfeld gesprochen hat?
Da gibt es keine allgemein verbindlichen Sammelanfragen an Studierende die einen Trend ausweisen könnten. Aber, was sie anfragen, gibt es auch bei Studierenden, die der Kirche eher distanziert begegnen, eine differenziert qualifizierte Sympathie für diesen Papst, der im Vorfeld wie bei seinem Besuch in Bayern Kompetenz und grundlegendes Vertrauen verkörpert, z.B. im Bereich von Glaube und Wissenschaft, dem interreligiösen Dialog, sowie dem Umgang mit den Medien. Er tritt überzeugend und unkompliziert menschlich auf. Das bedeutet aber nicht, dass alles, was er öffentlich sagt, von den jungen Menschen, ob nun mittig oder peripher katholisch, gleichermaßen unterschrieben wird.
Die Katholische Hochschulgemeinde in Aachen ist recht gross! (Wie gross? Gibt es hierzu Zahlen)
Die KHG in Aachen hat als Zielgruppe knapp 40.000 Studierende an Universität und Fachhochschulen; den Mittelbau und das Kollegium der Professorinnen und Professoren. Inhaltliche Standards sind angelegt zwischen der Reflexion und Praxis des katholischen Glauben, dem ökumenischen Austausch, dem internationalen, interkulturellen und besonders dem interreligiösen Dialog, der Fragestellung vom Verhältnis zwischen Medizin und Ethik, der Geschlechtergerechtigkeit, dem sozialen Engagement, sowie der Begleitung Einzelner in Lebens- und Glaubensfragen, um nur einige Tätigkeitsfelder zu nennen.
Doch meiner Ansicht sind viele zwar katholisch oder gläubig, aber nicht unbedingt vom Papst überzeugt. Stricken sie sich ihre eigene Religion?
Ob und wenn ja wie sich Studierende ihre eigene Religion stricken ist nur sehr differenziert zu beantworten und damit hier nur in Andeutungen. Studierende sind in verschiedenen gesellschaftlichen Milieus (SINUS 2001) zu finden und wie in ihnen erhoben, verhalten sie sich primär. Da gibt es entsprechend Studierende, die dem Heiligen Vater an den Lippen kleben, andere schauen, wo ihnen der Papst passt und schauen weg, wenn ihnen was nicht passt. Auf anderen „Baustellen“ komponieren Studierende ein wenig Papst mit Buddha, Event und Trend zur eigenen Glückseligkeit und wieder anderen ist alles, außer sich selbst, scheinbar hedonistisch egal, um nur einige religiöse Ausformungen zu nennen.
Inwiefern sind die Worte des Papstes für die Studenten, oder eben die jungen Leute, wichtig? Er hat sich zur Vernunft geäussert oder zum Heiligen Krieg etc. Was glauben Sie?
Wichtig ist die klare Aussage mit Interpretationsspielraum nur an den Rändern dieser Aussagen. Der Papst sagt etwas zu dem er auch morgen noch steht. Solche Positionen sterben in Politik und Gesellschaft aus beziehungsweise sind schon längst begraben, das spüren junge Menschen naturgemäß. Die meisten der päpstlichen Aussagen sind einfach, also ohne doppelten Boden und zutiefst getragen von einer absoluten Sympathie für das Leben, auch wenn nicht nur junge Menschen die logischen Konsequenzen für das alltägliche Leben nicht einfach teilen mögen und entsprechend ihr Leben ausrichten.
Sind der Weltjugendtag oder der Papstbesuch nur ein Hype? Oder mehr?
Solche Events haben ein äußeres Haltbarkeitsdatum von wenigen Wochen, ein punktuelles Haltbarkeitsdatum der Erinnerung von einigen Jahren und das innere Haltbarkeitsdatum des stolpern könnens kann ein ganzes Leben lang halten. Das ist auch meine jugendliche Erfahrung, das ein Impuls, auf einer Großveranstaltung losgeschickt, mich viele Jahre später wirklich erreicht hat.
Was nehmen junge Leute mit in ihren Alltag? Wie sieht es hier mit den Besuchen der Hochschulgottesdienste aus? Gibt es Zahlen, wie sich die Besucherzahl verändert hat?
In ihren Alltag nehmen junge Menschen ein Gefühl aus diesen Begegnungen mit. Ein Gefühl das gut tut, nicht alle Zweifel frisst und wissen lässt mit den großen Fragen nicht allein zu sein. Sie nehmen auch das Warten mit, auf eine ähnliche Erfahrung, später, genauer zukünftig, vielleicht erst im älter werden einzuholen.
Was den Gottesdienst betrifft, wäre es töricht zu behaupten die Zahlen stiegen unmittelbar im Anschluss an solche „Jahrhundertbegegnungen“ merklich an. Wäre auch komisch. Überlegen sie mal, wenn sie gerade mal für die Arbeit mit Holz begeistert wurden, dann kaufen sie sich doch zuerst einmal eine Laubsäge, aber doch noch keine Kettensäge. Also die Gedanken über Gott nehmen zu, den Gottesdienst betreffend schauen wir später
Was ist der Eindruck der Katholischen Hochschulgemeinde und woran kann man das festmachen: gibt es einen positiven Trend, was den Glauben der Jugendlichen und Studenten betrifft.
Auch hier ist die kurze Antwort schwierig. Eine Trendwende stelle ich mit dem halböffentlichen Sterben von Papst Johannes Paul II und dem Auftreten von Papst Benedikt XVI nicht fest. Differenzieren wir aber zwischen Glaube und Kirche, dann nimmt die Frage nach Gott, im Sinne der religiösen Suche zu, und ebenso die Unvoreingenommenheit gegenüber der Institution Kirche. Dieser aktuelle Trend aber ist allgemein und nicht der Erfolg solch kirchlicher High Lights der jüngsten Zeit. Lassen Sie mich in diesem Kontext erinnern an das Gleichnis Jesu vom Wachsen der Saat, Betonung auf Wachsen. Damit führt hier die schnell prognostizierte positive Folgenabschätzung einzig und allein auf den Komposthaufen.
Die Hauptfrage ist und bleibt: ist das ein kurzfristiger Rummel, ein Phänomen der Masse oder positiver ausgedrückt der Gemeinschaft, oder bewegt dieser Besuch des Papstes, der Weltjugendtag oder der Hochschulgottesdienst in Aachen langfristig die Studenten und begleitet sie auf ihrem Weg durchs Leben?
Diese Frage reizt mich zu einer etwas unkonventionellen Antwort:
Der heilige Apostel Paulus schrieb: „Der Glaube kommt vom Hören“. Recht hat er, denn den Glauben an Gott in Jesus Christus durch den Heiligen Geist kann man sich nicht selbst stricken oder anders erfinden. Vom Glauben muss Mann und Frau hören dürfen.
Auch unser Papst hat in der Liturgie und seinen anderen Begegnungen nichts anderes getan, als davon zu erzählen, Glauben zum Hören zu bringen. Und wir in der Katholischen Hochschulgemeinde in Aachen tun das auch so, bescheidener, wie es uns halt zusteht.
Das Interview führte Renate Hirsch mit Christoph Stender für die Neue Züricher Zeitung