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Morgen! Das Geschenk der Zukunft

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http://www.aachener-nachrichten.de/lokales/aachen/zwei-neue-buecher-zur-heiligtumsfahrt-marienschrein-und-domschatzkammer-1.855707#plx521671047
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Ein philosophisches Gespräch mit dem Aachener Theologen und Religionspädagogen Christoph Stender zum Jahreswechsel

Aachen. Morgen beginnt ein neues Jahr. Was mag es bringen? Glück und gutes Gelingen, so wie es sich alle gegenseitig wünschen? Oder Sorgen und Unsicherheit? Besonders zu dieser Jahreswende blicken viele Menschen nicht nur bilanzierend, sondern auch verunsichert auf das Gestern und schauen mit Sorgen auf das Morgen. In welche Richtung entwickelt sich unsere Gesellschaft? Wie gestalten wir das Morgen? Jeden einzelnen Tag und insgesamt? Wer und was gibt uns dabei Halt und Zuversicht?

Christoph Stender sucht im Gespräch mit Angela Delonge darauf eine Antwort. Der Theologe und Philosoph sagt: „Das Morgen fällt nicht einfach vom Himmel, sondern es birgt jeden Tag aufs neue eine Chance. Zukunft ist die Summe aller neuen Tage, die uns geschenkt werden und die jeder Einzelne frei gestalten darf und kann.“

Herr Stender, sind Sie ein Morgenmensch?

Stender: Nicht wirklich. Ich genieße eher den ausklingenden Tag. Ich ziehe abends gerne Resümee und schaue auf den kommenden Tag. Ich entwickele zwar immer mehr Sympathie für den Morgen, aber er ist noch nicht meine große Liebe. Den Anfang eines neuen Tages finde ich ohnehin nicht so wichtig im Vergleich mit den Chancen, die er bereithält.

Die Chance des Neuen?

Stender: Neues fällt ja nicht einfach vom Himmel. Man kann das Neue nur denken im Wissen, dass es eine Rückwand hat. Diese Rückwand ist gebaut aus der Vergangenheit, dem Alten, an das sich das Neue anlehnt.

Also immer zuerst auf die Rückwand schauen, bevor Neues zugelassen wird?

Stender: Dinge müssen manchmal abgeschlossen werden, damit Neues entstehen kann. Wir neigen leider dazu, ständig das Alte im Neuen zu verwursten.

Reden Sie jetzt dem ewigen Neubeginn das Wort?

Stender: Nein. Ich sehe das Neue als grundsätzliche Chance, einen neuen Tag an das alte Leben anzuhängen. Was ich meine, ist Folgendes: Menschen sollten sich das Vergangene bewusst vergegenwärtigen, bevor sie etwas Neues starten wollen. Um zu wissen, was man morgen ändern möchte, muss man ganz konkret schauen, was gestern passiert ist.

Das Neue ist also Kontinuität mit neuem Bewusstsein?

Stender: Nicht nur mit neuem Bewusstsein, auch mit einer neuen Klarheit und neuer Perspektive. Darum geht es ja – eine neue Perspektive zu erreichen. Dazu gehört der Vorgang des Abschließens. Das bedeutet nicht, Altes abzuspalten, sondern es getrost und gelassen hinter sich lassen zu können.

Altes wird zur Rückwand für Neues?

Stender: Wenn Sie alte Konflikte beenden, kann auf wunderbare Weise Neues entstehen. Ich gebe Ihnen ein ganz banales Beispiel: Sie mögen einen bestimmten Kollegen nicht. Gestehen Sie sich einfach mal ein, dass Sie den nicht mögen und dass Sie den auch morgen nicht mögen werden. Man kann Aversion auch einfach mal Aversion sein lassen. Dann läuft es oft besser. Dies kann auch eine Perspektive für das Morgen sein.

Was dämmert Ihnen, wenn Sie an morgen, an den Beginn eines neuen Jahres, denken?

Stender: An der Schwelle zu einem neuen Jahr fällt mir ebenfalls sofort das Thema Chancen ein, insbesondere die Chancen für die junge Generation. An dieser Schwelle muss man die Frage stellen: Was investieren wir in Möglichkeiten, dass sich im neuen Jahr auch und gerade für junge Menschen neue Chancen eröffnen werden?

Macht Ihnen das Morgen Angst?

Stender: Ich habe die Angst, dass Menschen ihre Chancen und Möglichkeiten einfach nur platt mit denen anderer vergleichen und zu der Erkenntnis kommen: Ich habe weniger Chancen, oder: Mir steht doch eigentlich mehr zu. Ich finde solche Vergleiche fatal. Wer sich ständig mit anderen vergleicht, ist immer der Verlierer. Es gibt immer einen, der besser, reicher, schöner und klüger ist.

Das hört sich bei Ihnen alles so positiv an. Viele Menschen haben aber auch Angst vor dem Neuen, vor dem Morgen.

Stender: Ich glaube, dass die Angst, die mit Neuem verbunden ist, darin begründet ist, dass wir selber nicht mehr Herren des Verfahrens sind. Die freudige Erwartung auf Neues ist seltener geworden, das Neue bricht immer häufiger über uns herein und überschüttet uns mit der Angst, morgen weniger zu haben als heute.

War es denn früher mehr?

Stender: Den meisten Menschen in Deutschland geht es heute nicht schlechter als gestern. Mit steigendem Wohlstand steigt aber auch die Angst, morgen weniger zu haben als heute. Auch wenn es sich oft nur um ein gefühltes Weniger handelt. Wir haben uns leider daran gewöhnt, im Neuen eigentlich nur noch das Mehr zu sehen. Wir sollten vielleicht lernen, das Mehr im Weniger zu sehen. Das ist eine Frage der eigenen Disziplin und des eigenen Wollens.

Fragen über das Morgen beschäftigen uns ständig. Wie wird das Wetter, wie werde ich dieses oder jenes Problem lösen, wie werde ich mich meinem unliebsamen Kollegen gegenüber verhalten? Wie kann man dem Morgen positiv und gelassen begegnen?

Stender: Das Wichtigste ist, jeden Tag als „datum“, als gegeben, anzunehmen. Das lateinische Wort „datum“ sagt eigentlich alles: Jeder Tag ist uns gegeben und kann wie ein Geschenk als neues Glück aber ebenso als neue Enttäuschung erlebt werden.

Neues Glück gerne, aber bitte keine neue Enttäuschung. Das ist oft der Grund, Dinge auf morgen zu verschieben. Wie stehen Sie zum Aufschub?

Stender: Wir können keinen Tag wiederholen, deshalb empfinde ich den Aufschub irgendwie als ungerecht dem Tag gegenüber. Wer heute eine Chance bekommt, der sollte sie auch heute wahrnehmen. Wer Dinge auf morgen verschiebt, nimmt sie dem Heute. Da muss sich jeder genau fragen, warum er das macht. Wird ein Problem weggeschoben, wird das Morgen dadurch schon beeinträchtigt sein. Der neue Tag wird kein wirklich neuer sein, wenn man ein altes Problem mitnimmt.

Jetzt sind Sie aber wirklich streng.

Stender: Ach, es gibt auch Sachen, die getrost bis morgen warten können. Das muss ja nicht alles so eine Schwere haben. Es geht mir darum, sich bewusst zu machen, warum man welche Entscheidungen trifft und warum man welche Prioritäten setzt. Es ist dein Tag, dein Geschenk, und du solltest die Gestaltungshoheit darüber behalten.

Das ist gar nicht so leicht.

Stender: Natürlich nicht. Wer acht Stunden an der Kasse sitzt, wird kaum das Gefühl von Gestaltungshoheit haben. Da muss man realistisch sein. Aber auch hier gibt es Möglichkeiten, den Tag zu gestalten. Freundlich sein oder nicht? Sich anpöbeln lassen oder nicht? Das sind Entscheidungen im Kleinen, aber es sind Entscheidungen über meinen Tag, mein Geschenk. Die werden getroffen, und morgen können sie neu oder anders getroffen werden. Das ist Freiheit.

Jedem neuen Tag bewusst begegnen. Wie, bitteschön, geht das?

Stender: Es hilft, sich täglich neu darauf vorzubereiten, indem man sich ganz konkret vorstellt, wem man begegnen wird und in welche Situationen man voraussichtlich geraten wird. Im Vorhinein den Tag planen und sich vornehmen, wie man auf bestimmte Situationen zu reagieren gedenkt, das könnte eine gute Selbsthilfe sein. Vor Überraschungen wird man aber trotzdem nie gefeit sein.

Also nicht in das Morgen stolpern, sondern sich darauf vorbereiten?

Stender: Man muss den neuen Tag bewusst wollen. Wissend, dass man ihn teilweise nicht im Griff haben wird, aber auch wissend, dass es immer ein gewisses Gestaltungspotenzial gibt. Wer sich bewusst macht, dass er morgen vielleicht das Glück haben wird, diesen neuen Tag an sein bisheriges Leben anhängen zu dürfen, hat schon viel erreicht.

Das setzt aber einiges an Gedankenpflege voraus.

Stender: Ja, es ist tatsächlich eine Art Selbsthygiene. Man muss sich immer wieder fragen, ob man als der ewig potenzielle Verlierer in den neuen Tag gehen möchte oder ob man einmal schaut, ob und wo es etwas anzupacken und zu gestalten gibt. Das muss ja nicht immer im Rahmen von Friede, Freude, Eierkuchen sein. Es können auch Konflikte sein, die man endlich einmal anpacken oder Dinge, die man endlich einmal sagen will.

Rechnen Sie mit jedem neuen Tag?

Stender: Wir alle tun das, und zwar ganz unbewusst, weil wir ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass wir den morgigen Tag erleben werden. Aber das ist mir zu einfach.

Sie finden das blauäugig?

Stender: Ach, wissen Sie, ich falle jetzt auch nicht vor jedem neuen Tag auf die Knie. Aber ich finde es wichtig, sich klarzumachen, dass jeder neue Tag eine neue Chance ist, und sich zu fragen: Wie steuere ich in den nächsten Tag hinein? Jeder neue Tag ist ein Unikat, das wir mehr wertschätzen sollten. Dieser Tag kommt genauso nie wieder. Das Übermorgen ist nicht identisch mit dem Morgen oder dem Heute. Als Christ sage ich, dass wir auf diese unverwechselbare Gabe auch dankbar schauen sollten.

Neue Aufgaben beim Zentralkomitee der Deutschen Katholiken

Christoph Stender (59) ist Theologe, Philosoph, Religionspädagoge, Schriftsteller und Blogger. Er war früher Kaplan in Schleiden, dann 16 Jahre lang Hochschulpfarrer in Aachen, zuletzt Mentor der angehenden Religionslehrer an der RWTH Aachen.
Ab Montag ist Stender Geistlicher Rektor beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (Zdk) in Bonn. Von seinen Aufgaben im Bistum Aachen wird er für die nächsten fünf Jahre freigestellt.
Die Rolle als geistlicher Berater erfüllt Stender seit 2005 bereits für die deutsche Sektion der Friedensbewegung Pax Christi. Für das ZdK wird er diese Aufgabe nun hauptamtlich übernehmen.
Ein Schwerpunkt seiner Arbeit im ZdK wird einerseits die Programmgestaltung des Kirchentages im Mai 2018 in Münster sein. Andererseits berät er die katholischen Laien in theologischen Grundfragen – etwa dabei, wie sich Kirche weiterentwickeln kann und welche Rollen Laien in der Kirche haben sollen. „Die weitergehende zukünftige Beteiligung der Laien in Gemeinden in Fragen der Leitung“, sagt Stender, sei die zentrale Aufgabe für die Zukunft.

 

Quelle: Aachener Zeitung, 31. Dezmber 2016

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