Ausgetretene Pfade mag er nicht
Von Bernd Büttgens
Sonntagabend Messe in St. Michael Burtscheid im Primizgewand
Wenn Christoph Stender an diesem Sonntag um 19 Uhr in St. Michael Burtscheid zur Messe einlädt, dürfen die wohlgewählten Worte und die beziehungsreichen Bilder nicht fehlen. Das Augenmerk sei an diesem Abend aber auch auf das Messgewand des Jubilars gerichtet, sein Primiz-Gewand.
Von seinem Krefelder Heimatpfarrer hat er es bekommen, es ist aus Fallschirmseide gemacht, und es war tatsächlich der Stoff für den Fallschirm eines französischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg.
Besagter Pfarrer und eben jener Soldat standen sich als Feinde auf dem Feld gegenüber. Beide schossen nicht. Durch einen Zufall trafen sie sich nach dem Krieg wieder und freundeten sich an – und der Fallschirm wechselte als Geschenk den Besitzer. «Aus dem Fallschirm, einem Kriegsgerät, wurde ein Friedensinstrument, mein Messgewand», sagt Stender. Solche Geschichten erzählt er gerne.
Aachen. Wenn Christoph Stender am Sonntagabend in seiner Predigt den Blick zurück wagt, will er das «sehr leise und nachdenklich» angehen. Nicht, dass etwas misslungen wäre oder dass es etwas zu bereuen gäbe.
Nein, zur Feier seines silbernen Priesterjubiläums will der Gottesmann noch einmal seine Rolle definieren. Als Vermittler, als Verkünder, als Zuhörer.
Es hat zahlreiche Versuche gegeben, Christoph Stender, der 16 Jahre als Hochschulpfarrer in Aachen so manchen lauten und leisen Akzent setzte, in eine Schublade zu packen. Manch einer nannte ihn einen Revoluzzer. Und nicht selten hörte der Jesuitenschüler, dass sein Ansatz von Kirche doch arg weltlich sei. In die Schublade passt er nicht, festzuhalten aber bleibt: Ausgetretene Pfade hat er nie gemocht.
«Mir ist es in erster Linie in diesen 25 Jahren als katholischer Priester darum gegangen, eine Einheit zwischen mir und dem, was ich vermittele, herzustellen», sagt Stender über sich. «Und es geht mir immer darum, die Verkündigung an der menschlichen und gesellschaftlichen Realität auszurichten.» Dass ihm das gelingt, hat der 54-jährige Stender oft genug bewiesen. Und dass sein Weg nie am Reißbrett geplant war, gibt er gerne zu. Gleichwohl hat er sich bewusst in eine Richtung bewegt. «Die Schritte, die ich gehen musste, kamen mir quasi entgegen – und so ist das bis heute.» Der ursprüngliche Berufswunsch, Dirigent zu werden, beinhaltete schon das Verlangen nach Harmonie, Gleichklang, «ich wollte immer schon alles zusammenführen». Später im Studium der Religionspädagogik, Philosophie und Theologie rückte der Schritt zum Priester, «der immer eine Option war», immer näher.
Bei allen Stationen seines Priesterlebens, ob im Dialog mit jungen Straftätern im Gefängnis, in der Arbeit mit geistig behinderten jungen Leute oder danach in der Schule in Schleiden oder danach an der Hochschule – «immer ging es um die Glaubensvermittlung in einem durchaus ungewöhnlichen, manchmal auch extremen Umfeld, das nicht das Schlösschen der immer treu Gläubigen war».
Stender hat sich vorgenommen, ansprechbar zu bleiben, offen zu sein, zu vermitteln, sich auch durchaus selbst einmal infrage zu stellen. Als einen Lehrer nennt er immer wieder den einstigen Aachener Bischof Klaus Hemmerle, der ihn vor 25 Jahren im Aachener Dom weihte: «Ich habe seinen Weihespruch übernommen – lasst alle eins sein, damit die Welt glaubt.» Wo Stender spricht, hören die Menschen zu. Weil seine Sprache direkt ist, weil er lebensrelevante Ansätze verfolgt, weil er blitzgescheit analysiert. Kein Wunder, dass dieser kirchliche Querdenker, der am liebsten mal «von der Seite reingrätscht» inzwischen auch als Berater in vielen Bereichen gefragt ist. Nicht zuletzt wissen die angehenden Religionspädagogen in Aachen dies zu schätzen. Als Stender einen Aufsatz mit dem provozierenden Titel «Der Religionslehrer – die letzte Frontgroup auf der Bühne einer abtretenden Pastoral» schrieb, war die Reaktion des amtierenden Bischofs Heinrich Mussinghoff, Stender mit einem Konzept für eine Mentorat zu beauftragen. Der nächste Schritt.
Das ist nun heute seine Aufgabe: Mentor an der RWTH Aachen zu sein für angehende Religionslehrer, sie zu stärken, auszurüsten, «persönlich zu veredeln bei ihrer Vermittlungsarbeit in den Schulen». Für ihn ist das «eine Investition in die Zukunft von Kirche und Gesellschaft».