„Und sie bewegt sich doch!“ Existentiell ist diese Feststellung für alle Bewegungen, besonders auch jene, die so langsam in die Jahre gekommenen sind.
Die gesellschaftliche Situation einer Zeit, deren Analyse durch die Menschen in ihrer Zeit, vielleicht der geschichtliche Vergleich und die Visionen dieser Menschen für ihre Zeit und deren Zukunft sind die „Zutaten“, die notwendig sind, damit eine Bewegung entstehen kann.
Sehr unterschiedliche Analysen, Ideen und Idealen haben in ganz unterschiedlichen Zeiten eine Vielzahl von Bewegungen hervorgebracht. Doch bei aller Verschiedenheit ist der Schmerz sehr ähnlich, wenn das, was die Menschen dort selbst bewegt hat, keinen mehr neu in Bewegung bringt. Festzumachen ist das oft an schwindendem Interesse und sinkenden Mitgliederzahlen. Solche Entwicklung lässt bei den schließlich noch Verbleibenden das Gefühl aufkommen, die letzten ihrer Gattung zu sein, und dazu bestimmt, das „Licht in ihrer Bewegung ausmachen zu sollen“.
Das „Ansichtige“ einer Bewegung, also ihre Organisationsformen, ihre Strukturen, Aufgaben und Ämter sind bei genauer Betrachtung nicht der Motor, der eine Bewegung in Bewegung halten kann. Das „Ansichtige“ sind die die Bewegung mittragenden Stabilisatoren. Der Beweggrund und das Lebenselixier einer jeden Bewegung aber ist deren Intention, die jene Menschen bewegt, die diese Intention mit Herz und Verstand vergegenwärtigen.
Diesem Phänomen unterliegt auch Pax Christi. Unsere Bewegung ist geprägt von einer christlich ausgerichteten Leidenschaft für Frieden und Gerechtigkeit. Diese Empathie bezeichnet Pax Christi in sehr unterschiedlichen Projekten und Kampangen, an sehr verschiedenen Orten dieser Welt und in einem sehr differenzierten Engagement unserer Mitglieder.
Aber auch in unsere Bewegung herrscht die berechtigte und bedrängende Sorge, nicht mehr genug Menschen bewegen zu können, die unsere Bewegung sicher in die Zukunft hinein bewegen werden.
Denn wenn auch viele tragende Personen von Pax Christi in die Jahre gekommen, oder auch schon verstorben sind, so hat sich die Intention unserer Bewegung längst nicht erübrigt. Der internationale Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit bleibt weiterhin Not – wendig, und so gilt dieser Intention auch weiterhin unsere Sorge.
Viele hochengagierte Freundinnen und Freunde sehen sich fast täglich vor die sorgenvolle Frage gestellt: Wie geht es ganz konkret auch in unseren Gruppen vor Ort und auf Bistumsebene weiter? Schaffen wir es besonders auch junge Menschen für unsere Intention in unsere Bewegung hinein zu begeistern? Und nicht selten wird diese „allgemeine“ Frage verknüpft mit der ganz persönlichen: Bin ich in meinem Engagement nun schon an meine Grenze gestoßen, oder geht da nicht doch noch etwas mehr?
Besonders jene, die sich im Großraum Kirche engagieren, haben so einen Mechanismus „eingebaut“, der sie wie automatisch vor die oft auch ein wenig moralisch angehauchte Frage stellt: Bin ich nicht zu mehr verpflichtet? Und je mehr Menschen in einer Bewegung ihr Engagement reduzieren oder gar ganz einstellen müssen, umso mehr umschleicht diese Frage die Verbleibenden.
Persönlich gefragt: Betrifft auch Sie diese Situationsbeschreibung und die damit einhergehende umschleichenden Frage? Konkret gefragt: Können Sie nicht doch noch irgendwo etwas mehr Zeit für Pax Christi abzwacken?
Theoretisch geantwortet: Ja, Sie alle könnten noch etwas Zeit zusammenkratzen. Z. B. in dem sie Beziehungen und Freundschaften vernachlässigen, das letzte kleine Hobby streichen, Engagements woanders eindampfen, und ein gutes Buch einfach verachten. Hier muss jedoch endlich auf den Punkt gebracht werden:
Engagement definiert sich nicht über erreichbare Schmerzgrenzen, sondern über die Lebensqualität jedes einzelnen! Engagement ist keine Selbstgeißelung, sondern die Bereitstellung persönlicher, regenerativer Energien für ein lebenswertes Ziel. Engagement, besonders christlich motiviert, darf die hoch aktuelle biblische Sicht auf den Menschen nicht vernachlässigen: „Der Leib ist ein Tempel Gottes“ (Vgl.: 1 Kor 3, 9 ff)
Das bedeutet: Engagement ist ein Gottes- und Menschendienst im Tempel unseres Leibes.
Gerade um unser Engagement willen dürfen wir diesen Tempel unseres ganzheitlichen Daseins nicht kränken, wir dürfen keinen Raubbau an ihm betreiben oder gar ihn in Engagement verpackt geringschätzen.
Engagement ist ein Liebesdienst am Menschen, auch an dem Menschsein unserer selbst, der bewegt ist von Intentionen und Visionen, bewegt vom „Heil sein“.
Nur so wird wahr: „Und sie bewegt sich doch!“ Und das mit uns.