Es gibt Menschen, die sich auch mit einer für sie nachteiligen Lebenssituation aus Gewohnheit arrangiert haben.
Im Diakonat arbeitete ich ein Jahr im Gefängnis. Hier verbüßten auch Männer ihre Reststrafen, zwei, drei Monate vor Freiheit. Einige der älteren Inhaftierten wollten sich nach teils über 40 Jahren Haft dieser Freiheit allerdings nicht mehr aussetzen. Sie begangen, gerade in Freiheit eine „kleine“ Straftat, um zurück zu können in das vertraute System ihres Gefängnisses.
Von Kindesbeinen an blind hat sich der Namenlose zurecht finden müssen. Arrangiert mit seiner Umgebung lebte er seine Blindheit. Jesus kommt nun ungefragt einfach daher und reist den Blinden aus seiner Vertrauten Umgebung heraus. Jesus fragt nicht einmal ob der Mann gerne blind geblieben wäre, sondern macht ihn zum Sehenden.
Hier geht es wohl nicht um eine bestimmte Person, sondern um die Demonstration der jesuanischen Kernbotschaft: Die Liebe Gottes, das Kommen seines Reiches unterwirft sich nicht demokratischer Strukturen oder dem Willen einzelner. Die Zuneigung Gottes ist nicht abstimmbar oder verhinderbar, sie nimmt an Nichts ihr Maß. Liebe Gottes bedeutet: Gott hebt auf! Geschöpf und Schöpfung dürfen nicht in die Nacht, in ein bodenloses „nichts ist mehr anzusehen“ fallen. Der Blinde ist dafür Ausrufezeichen, das uns im Hochgebet der Eucharistiefeier beten lässt: „Wenn wir selbst eines Tages die Leihgabe unseres Lebens zurück geben müssen, so bitten wir: „Lass auch uns nicht fallen, heb uns auf in dein Reich, damit auch wir dich schauen dürfen von Angesicht zu Angesicht“
Schriftstelle: Joh 9, 1.6-9.13-17.34-38