Vorsichtig berührt die Hand den Schleier und beginnt mit der Entschleierung. Der Schleier ist also nicht das eigentliche Ziel dieser Berührung, nein, das noch verborgene „Darunter“ ist das Ziel.
Vor-sichtig also hebt die Hand den Schleier und legt den Blick frei auf die nächste Erkenntnis, ein weiter Schleier darunter, der verdeckt was noch nicht aufgedeckt ist, dem die aufdeckende Hand der Erkenntnis aber um einen Schleier näher gekommen ist. Und so geht es weiter, Schleier für Schleier. Stimmt die Botschaft dieses Bildes, das Erkenntnis letztlich nur in der Verschleierung zu haben ist, und die Annäherung an sie nur in ständiger Entschleierung?
Jeden Tag, wenn ich denn zu Hause bin, schaue ich von meinem Schreibtisch auf dieses 140 x 100 cm große Bild der 2009 verstorbenen Künstlerin Janet Brooks Gerloff. „Erkenntnis“ lautet der offizielle Titel und im Echtheitszertifikat fügt die Künstlerin noch hinzu: „Der Gramgebeugte im Augenblick der Erkenntnis.“
Der Augenblick der Erkenntnis ist der verantwortbare Moment in dem der vorerst letzte Schleier gefallen ist und das Wort der Erkenntnis Stimme gibt. Wie mühselig ist oft dieser Prozess von der Verschleierung zur Entschleierung, der dann in das Wort mündet, ein authentisches Wort, ein verlässliches Wort, glaubwürdig durch die Person deren Atem es trägt.
Doch wie war das eben denn noch mit den die Erkenntnis umgebenden Schleiern. Bleibt nicht doch, auch wenn wir meinen den letzten Schleier gelüftet zu haben, der Schatten eines letzten Schleiers auf jeder Erkenntnis. Und mutmaßen wir nicht oft mit hoher Kompetenz darüber, ohne wirklich alle Schleier bei Seite legen zu können oder zu wollen, was unter ihnen noch halb verborgen Erkenntnis ist.
Erkenntnis, ein schweres Geschäft das so oft zur Vieldeutigkeit neigt und trotzdem subjektiv sich eindeutig gibt. Erkenntnis, eine Herausforderung auch an die Kommunikation in unserer Bewegung.
Zeit- und Ortswechsel:
Der letzte Schleier einer die Welt bewegenden Erkenntnis lag zusammengefaltet an der Seite des Felsengrabes. Die Erkenntnis: Der Leichnam Jesu war nicht mehr an diesem Ort. Das entsprechende Wort, die Botschaft: Jesus, der Christus ist auferstanden und geht den Erkennenden voraus.
Diese Erkenntnis hat Konsequenzen für die Kommunikation derer, die sich auf den Auferstandenen berufen:
Die von der österlichen Auferstehung gekennzeichnete Kommunikation hat das Kreuz der Unterdrückung hinter sich gelassen. Sie ist an IHM orientiert und durch IHN motiviert und letztlich auf IHN hin ausgerichtet.
ER ist das Charakteristikum dieser neuen Kommunikation. Ihren Grundvollzug gab ER vor als er das Brot nahm, anschaute, dankte, teilte, reichte und sprach. Mit seiner Bitte „tut dies zu meinem Gedächtnis“ vertraut Jesus Christus uns diese neue Qualität von Kommunikation an, und schenkt uns so ein neues Lebensmittel!
Zum Lebensmittel geronnene und entfaltete Kommunikation befreit ihre Akteure von der Angst um sich selbst, und kann so das Gegenüber gelassen und gewollt mitnehmen wie auch umgekehrt.
Die von der Auferstehung geprägte Kommunikation fürchtet den Menschen und seine „Aussprache“ nicht, und kann ihn deshalb ganz „vor – kommen“ lassen. Solche Kommunikation schützt Leib und Seele und wird Lebensmittel vor einem angstfreien Horizont.
Solche Kommunikation ist entwaffnend, macht nicht nieder, verletzt nicht, sucht nicht den Vorteil gegen andere, missbraucht nicht, spielt Macht nicht aus, führt nicht vor, grenzt nicht aus, Urteilt aber verurteilt nicht und macht nicht mundtot.
So ist sie gekennzeichnet vom Geist Jesu, wie er greifbar wird in den Seligpreisungen, auf dem Weg des Samariters, im Gespräch mit der Frau am Brunnen, den verschiedenen Weisen der beiden Marias, der Einladung des Zachäus, im reichen Fischfang, der Speisung der Zehntausend sowie im Kind in der Mitte.
Kerngehalt unserer Bewegung ist und bleibt, die Erkenntnis in Entschleierung, das Wort getragen von Authentizität und dieses eingebettet in eine „auferstandene“ Kommunikation.