Da sprach Gott, der Herr: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht“ (Gen 2,18). – Der Beginn des Buches Genesis überliefert uns in den Worten unserer Urahnen, wie unser Schöpfer die Welt erschafft und all das, was ist. Ein Paradies legte Gott seinem Geschöpf zu Füßen. Aber er wusste auch, dass der Mensch dieses Paradies so lange durchqueren würde, bis er findet, was er existenziell sucht. So schenkt Gott von Anfang an dem Menschen ein gleichwertiges Gegenüber, die Erfüllung seiner Sehnsucht, den Menschen an seiner Seite. Mit der Erschaffung des Menschen schuf Gott das Du.
Immer wieder sucht der Mensch nach seinem Du. Rein statistisch hat er weltweit die Möglichkeit unter über sechs Milliarden Menschen sein Du zu finden. Jedes Jahr kommen auf mich etwa 80 junge Paare zu, die ihr Du gefunden haben. Sie bitten um die priesterliche Assistenz wenn sie, sich das Sakrament der Ehe stiftend, einander sagen: Ich meine dich ganz, ich meine einzig dich, ich meine dich mein Leben lang, sei mein Du. Und obwohl diese jungen Menschen um die Scheidungsrate in Deutschland von 50 Prozent wissen, glauben sie dennoch, ihre Liebe könne nichts erschüttern.
Sie schauen über den bevorstehenden Augenblick der Hochzeit hinaus in die den Menschen verändernde Zukunft und trauen trotzdem ihren Gefühlen bis in alle Ewigkeit: Dich meine ich, auch wenn du älter wirst, wenn der Lack ab ist und die ersten Falten die Stirn haben, sich auf der selben zu zeigen. Dich meine ich im Versagen, in der Krankheit, im Verfall, egal wie die Zukunft dich mir offenbaren wird, sei immer mein Du.
Diese Vision ist bei manchem Paar, das ich auf dem Weg zur Hochzeit begleitet habe, Jahre später gescheitert. Trotzdem habe ich auch morgen nicht das Recht, an der Liebe jener Menschen zu zweifeln, die wieder sagen werden: Unsere Liebe kann nichts erschüttern. Selbst jene Menschen, die das Scheitern ihrer Ehe oder Freundschaft kaum überwunden haben, treibt die selbe Sehnsucht weiter nach diesem geliebten verlässlichen Du, die oft auch die Suche ist nach dem liebesfähigen, verlässlichen Ich.
Die Bibel erzählt auch von der Zufriedenheit Gottes mit seinem Werk. Gott ist einverstanden auch mit der Sehnsucht des Menschen, weil sie nun, Dank seiner Schöpferkraft, im anderen Menschen Erfüllung finden kann. Konnten sich Adam und Eva eigentlich nacheinander sehnen, waren sie ineinander verliebt? Auswahl hatten sie ja keine, da Gott selbst ihr Gegenüber bestimmte. Ist sich die Menschheit ihrer Sehnsucht nach Liebe nicht erst bewusst geworden durch den Ungehorsam dieses ersten Paares der Schöpfung gegen Gott? Die tiefe Sehnsucht des Menschen nach Liebe ist einhergegangen mit seiner Erkenntnis, durch den Sündenfall, ein nackter Mensch zu sein. Deswegen lautet die Bitte der Liebenden: Leg deinen Leib als Mantel mir um. Jede Liebe muss bangen verloren zu gehen. Keiner kann sich der Liebe eines anderen Menschen sicher sein.
Die Sehnsucht des Menschen, nicht allein bleiben zu wollen, seine Suche nach dem geliebten Du birgt einzig die Möglichkeit tiefster Verletzung. Auch jene, die in einer gelungenen Liebe den Augenblick größten Glückes festhalten möchten, wissen um deren Vergänglichkeit. Nur die Erinnerung kann solche Momente festhalten. Liebe möchte immer über sich selbst hinausgreifen in das Meer und Mehr der Liebe. So bleibt die Liebe immer eine Erfahrung der Gottesnähe und gleichzeitig der Gottesferne. Wer einen Menschen wirklich liebt, wird immer neu ein Prädikat Gottes entdecken, die Treue.