Keine 24 Stunden mehr. Die ersten Familienangehörigen und Freunde trafen schon an diesem Vortag ein. Das Mittagessen an jenem 6. März 1987 war eher bescheiden und dazu auch noch hektisch, aber das große Fest war ja sowieso erst morgen. Doch dieses Essen im Vorübergehen blieb mir intensiver in Erinnerung als das Festmahl des folgenden Tages. Der Grund:
Während dieses Mittagessens sagten mir meine Eltern etwas, das sie auf meinen Entschluss hin noch nie ausgesprochen hatten: „Wir sind stolz auf dich und deine Entscheidung.“
Drei Studienabschlüsse haben meine Eltern mir ermöglicht und vieles andere mehr. Doch gedrängt, hofiert oder gar Eitelkeiten ob der Entscheidung geweckt haben sie nie. Nein, bis zu jenem Tag haben sie meine Entscheidung nicht beurteilt oder kommentiert, sie haben sie einfach still mitgetragen, begleitet, ermöglicht und mir auf meinem Weg vertraut.
Der Tag, an dem diese Entscheidung von mir gefällt wurde, lässt sich nicht wirklich ermitteln, er liegt wohl datumslos verborgen in der Summe eines bis dahin von mir gehörten, gelebten und erlebten Glaubens. Die Wurzeln meiner Glaubensbiografie, auf Menschen bezogen, liegen deutlich bei meinen Eltern. Sie erzählten mir vom Glauben, öffneten meine Augen für die Welt des Christentums und so wuchs unter anderem auch mein Interesse an markanten und überzeugenden christlichen Persönlichkeiten.
Im Rückblick ist mir klar geworden, dass mich die Feier des Glaubens, die Liturgie und die Jugendarbeit besonders geprägt haben. Hier erlebte ich schon recht früh neben der Erhabenheit und der Vielfalt unserer Kirche auch ihre oft von denselben Menschen verkörperte Enge und Armseligkeit. Aber auch das breite Spektrum meines Studiums, besonders aber jene Professorinnen und Professoren, die aus ihrem Glauben heraus lebten und lehrten, hinterließ tiefe Spuren auf meinem Weg meine Entscheidung zu finden.
So waren es immer wieder Menschen und ihr Leben innerhalb wie außerhalb der Kirche, die meinen Glauben nicht in Ruhe ließen auf der Suche nach dem, was es bedeutet, das „Leben in Fülle“ zu haben (Joh.10,10b). Solche Erfüllung aber ist und bleibt ein geheimnisvolles Geschenk Gottes. In dieser Zeit wurde mir klar, dass das, was von einer kleinen Frage angestoßen zu der Antwort meines Lebens werden sollte, auch wirklich von mir gewollt war.
Dass ich diese Zukunft als Priester gestalten würde, war nicht unwesentlich mit eben dieser angedeuteten Frage verbunden, die mir vor über 35 Jahren ein Mensch stellte: „Kannst du dir vorstellen Priester zu werden?“ Die Frage war damals abwegig. Mein Herz schlug für die Kunst, die Pädagogik, die Innenarchitektur und das Theater. Diese Frage barg eine Zumutung, denn ich selbst hatte noch nicht einmal den Mut nur zu denken, mich der Welt als Priester zuzumuten. Diese Frage führte in die bleibende Provokation, denn bis heute ruft sie mich aus dem Vertrauten heraus.
Hätte mich damals niemand mit dieser Frage ernsthaft konfrontiert, hätte ich meinen Weg vielleicht nie gefunden. Eines aber ist klar: Diese Frage weckte meinen verborgenen Traum, und wurde zur lebendigsten Entscheidung meines Lebens, der, Priester werden zu wollen. Heute, am Weltgebetstag für geistliche Berufe, möchte ich für diese Frage werben und ermutigen sie Männern zu stellen, die mit unserer Kirche spüren, in ihr leben, und die noch eine Entscheidung offen haben: „Könntest du dir vorstellen Priester oder Diakon zu werden?“ Vielleicht wecken Sie mit dieser Frage in einem Menschen den Traum, der bisher nur von Gott im Verborgenen geträumt wurde.