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Sitzt die Weisheit vor der Tür?

Schön wäre es, wenn die Weisheit vor unseren Haustüren sich tummeln würde, und Sie an einem ganz normalen Morgen nur die Türe öffnen müssten um ihrer habhaft zu sein. Weisheit auf Abruf, ist doch was!
Diese Hoffnung lässt die alttestamentliche Lesung aufkommen. Allerdings ist die Weisheit nicht vorzufinden wie ein begossener Pudel, der gerne ins Trockene möchte, sondern nach der Weisheit muss der Mensch verlangen, so der Literat der Lesung.

Weisheit schmeckt doch irgendwie nach mehr Lebensqualität, danach Konflikte besser zu bewältigen, mehr Durchblick und Einsicht zu haben und gleichzeitig alles mit etwas mehr Gelassenheit zu betrachten.
Aber auch bei dieser „Beschreibung“ der Weisheit muss, wie bei allen anderen auch, immer noch mitgedacht werden: „Und sie ist doch noch ein bisschen mehr, allerdings kaum in Worte zu fassen.“
Im Besitz der Weisheit sein zu wollen ist wohl eher der Wunsch reiferer Menschen, denn fragen Sie mal einen Jugendlichen, ob er mit Weisheit ausgestattet sein will. Vermutlich würde der Sie eher zurückfragen, was das denn sei, oder Ihnen sofort klar machen, dass Raffinesse, Erfolg, Geschicklichkeit, Schnelligkeit oder auch nur das reine Überleben angesagter sind als der Schmuck der Weisheit.

Bleibt doch nachzufragen, auch im Interesse junge Menschen, wie gewandet sich eigentlich diese Weisheit? Der heilige Augustinus (gestorben 28. August 430 in Hippo Regius im heutigen Algerien) sagt von ihr: „Weisheit ist letztlich nichts anderes als das Maß unseres Geistes, wodurch dieser im Gleichgewicht gehalten wird, damit er weder ins Übermaß ausschweife, noch in die Unzulänglichkeit falle. Verschwendung, Machtgier, Hochmut und ähnliches, womit ungefestigte und hilflose Menschen glauben, sich Lust und Macht verschaffen zu können, lassen ihn maßlos aufblähen.“

Okay, soweit so gut, aber was ist dieses „Maß unseres Geistes“ von dem Augustinus spricht, wie wird dieses Maß gemessen? Da hilft uns der alte Aristoteles etwas weiter! Die Mäßigung, also das Maß halten bezieht sich insbesondere bei Aristoteles auf die Lust. Aber bitte nicht falsch verstehen, hier wird der Lust keine Absage erteilt, nur ein zuviel an Lust wird ebenso abgelehnt wie deren Untertreibung. Ihm geht es darum, die Waage zu halten mit dem Ziel, sich ethisch zu verhalten. Die Richtung wird hier etwas deutlicher, aber nicht so richtig.
Sie merken, dass Worte in der Tat Weisheit nicht ganz zu greifen scheinen, so gilt es nun in Sachen Weisheit auch mal zwischen den Worten zu lesen. Versuchen Sie es doch einmal in dieser Geschichte:

Zwei mittellose Menschen sind zu einem Fest geladen. Der eine rafft alles zusammen, was er hat, leiht sich noch einen kleinen Betrag hinzu und kauft sich für das Fest neue Kleidung, die auf den ersten Blick todschick aussieht und qualitativ wertvoll erscheint. So meint er nun sich sehen lassen zu können! Allerdings bleibt ihm nun kein einziger Gent mehr, und so kann er sich die Zahncreme für die vorfestliche Hygieneaktivität nicht mehr leisten. Das Outfit scheint Spitze, aber es riecht hier irgendwie komisch.
Der andere Gast gibt sich mit seinem alten „guten“ Anzug zufrieden, „werd´ schon darinnen aussehen“, so denkt er, und bedecken tut er doch alles Wesentliche, so seine Erkenntnis in Anbetracht eines leeren Geldbeutels. Doch seine letzten Gent investiert er doch in das Fest, Zahncreme muss er noch besorgen, denn schließlich sollen ihn die anderen Gäste gut riechen können.

So, viel einfacher, zugegeben, ist es auch nicht, zwischen den Zeilen lesend der Weisheit auf die Spur zu kommen, oder? Aber nicht vergessen: „Über die Weisheit nachzusinnen ist vollkommene Klugheit“, so der alttestamentliche Literat. Ja, was machen wir denn dann hier! Vielleicht sind wir ja viel klüger, als wir denken, wir, die wir hier über die Weisheit nachsinnen. Aber langsam, vielleicht sollten wir, bevor wir uns von unserer eigenen Klugheit überwältigen lassen, einen Satz von Antoine de Saint-Exupéry beherzigen:
„Wenn es dir gelingt, über dich selbst Gericht zu sitzen, dann bist du ein wirklicher Weiser.“ Wie war das doch mit der „Weisheit vor der eigenen Türe“…?

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 06.11.2005
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