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Arbeit riecht, Denken riecht nicht

Mensch und Guss
Ausstellung von Daniel Karmann in der KHG Aachen

Das Ausstellungsgebäude als einen Ort der körperlichen Arbeit zu verstehen, also als Fabrikationshalle oder Produktionsstätte, wäre übertrieben. Hier wird eher nachgedacht, sich besonnen, diskutiert und disputiert, mal schöngeistig mal handfest kommuniziert, Wissen angeeignet und geteilt, Sachverhalte betrachtet, beraten, begleitet und immer wieder wird der Bezug zum Transzendenten gesucht und gepflegt. Nach Material, Schweiß, Schmiermittel oder Hitze richt es hier nicht, direkt werden also die Geruchsnerven in dieser Ausstellung kaum in Anspruch genommen, auch wenn es original Gussteile der Gießerei Werle in Ottweiler, Saarland zu sehen gibt. Genau genommen würde diese Kommunikation, die täglich hier in der Katholischen Hochschulegemeinde (KHG) in Aachen gepflegt wird, in diesem saarländischen Betrieb, von dem die hier ausgestellten Bildern berichten, aus Sicht der Betriebsleitung als Arbeitverweigerung gewertet, was einen Kündigungsgrund darstellt. Das hätte die Belegschaft, während diese Bilder entstanden, wohl eher „belustigt“, wartete doch schon längst am Eingang ihres Betriebes die Insolvenz.

Verlustangst, Enttäuschung, Verzweifelung Unverständnis und Wut, sowie der Funke Hoffnung auf Rettung in letzter Minute, das sind die starken Empfindungen die in diesen Männer miteinander ringen. Der Verlust ihrer Arbeit und damit Arbeitslosigkeit war das alles beherrschende Thema in dieser Gießerei.

In diese aufgeheizte Situation hinein klopft behutsam der Sohn der Insolvenzverwalterin an den Werkstoren mit der Bitte an, Menschen, Arbeit und Werk hier fotografieren zu dürfen. Sein Name ist Daniel Karmann, er ist im Saarland an der Grenze zu Frankreich aufgewachten und sein Handwerk ist die Fotographie, gegenwärtig als Pressefotograf der DPA.

Die Belegschaft stimmte spontan seiner Bitte zu, spürte sie doch, dass es ihm nicht um neugierige Einmischung ging. Darüber hinaus empfanden sie wohl in diesen schweren Tagen fotografiert zu werden als eine „letzte“ Wertschätzung ihrer Tätigkeit, vor dem Zusammenbruch der eigenen Existenz.

Um die Kollegen an diese für sie zuerst ungewohnte Situation im „Rampenlicht“ zu stehen zu gewöhnen, fotografierte D. Karmann die ersten Stunden ohne „Film“ in der Kamera. Nach einigen Stunden dann war der Fotograf einfach da, eine Ausnahme blieb er, aber die Arbeiter registrierten ihn eher beiläufig bis gar nicht.

Behutsam, mal aus der Distanz mal aus der Nähe, sezierte das Objektiv der Kamera Augenblicke aus dem Werksgeschehen heraus und erhob sie so zur bildhaften Unsterblichkeit. Nichts auf den Fotos ist gestellt, alles ist realer und so alltäglicher Moment in diesen weniger heiligen Hallen. Einzig die Sekunden dieser sezierten Bewegungsabläufe werden mit diese Momentaufnahmen „gestellt“, denn jetzt können sich nicht mehr verflüchtigen.

Wertschätzung, das ist der Grund warum in diesem eher akademischen Umfeld der KHG dieses Stück Arbeitswelt als Fotoausstellung „präsentiert“ wird. Denn hier geht es nicht um die gefällige Darbietung eines schweißtreibenden Handwerks in fast steril wirkenden intellektuellem Kontext, auch nicht um das zur Schau stellen von Menschen vor ihrem Sturz.

Diese Ausstellung will nicht einmal „ausstellen“, sondern sie will das „Handwerk“ von Menschen da hinzu stellen, wo das „Kopfwerk“ zu Hause ist, wissend darum, das handwerkliche Tätigkeit immer auch Denkanteile hat (haben sollte) und akademische Tätigkeit handwerkliche.

Diese Ausstellung will nicht primär handwerkliches arbeiten „exponieren“, quasi wie einen Gegenstand in einem Kuriositätenkabinett, sondern mit Bilden von dieser Arbeit an einem Ort anderen Arbeitens und vor anders arbeitenden Menschen „imponieren“, quasi einen „Ein – druck“ hinterlassen.

Die Wertschätzung der jeweiligen Arbeit des anderen Menschen hat hier in der KHG mit dieser Ausstellung eine besondere Adresse bekommen. Die hier auf den Verkehrswegen -zum „stolpern“ hingestellten- bildhaften Erinnerungen hat auch eine weitergehende Botschaft: Die Summe der Arbeit aller, in all ihren unterschiedlichen Werkformen, ist das „Kapital“ unserer Gesellschaft.

Damit steht aber auch die Frage nach der wertschätzenden „Belohnung“, und der die Verschiedenheit der Arbeit berücksichtigenden „Belohnungsgerechtigkeit“ im Raum.

Wenn eine Gesellschaft eine Arbeit nicht braucht, dann wird sie (in der Regel) auch nicht geleistet. Wenn diese Arbeit aber letzten Endes dem Gemeinwohl zu Gute kommt, dann muss der, der sie leistet in dieser Gesellschaft auch an – gemessen „entlohnt“ leben können.

Diese Ausstellung aber ist kein erhobener Zeigefinger und keine Moralininjektion. Sie löst auch nicht die Probleme mit Blick auf Tarifstreit oder Arbeitslosigkeit, und sie hat auch keinen Tipp bereit wie Aufsichtsräte sich vor Überheblichkeit schützen können.

Gerade an diesem Ort, an dem Kirche Studierende begleitet von denen ein erheblicher Teil zukünftig Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen wird ist es wichtig, das Ganze der geleisteten Arbeit aufeinander zu beziehen. So kann sich eine Sensibilität für die Verschiedenheit von Arbeit in den Köpfen jener jungen Menschen ausbilden, die Morgen Entscheider sein werden. Diese Ausstellung möchte als ein kleiner Beitrag gewertet werden, einen weiteren Zerfall unserer Gesellschaft in Stände und Kasten zu verhindern, deren Beschreibung immer mit entweder Mehr beginnt oder Weniger. Mehr Geld. mehr ansehen…. und weniger Geld, weniger Ansehen. Es geht nicht darum alle Arbeit als gleich wichtig, gleich tragfähig und gleich effizient zu werten. Aber die Frage nach gerechter „Be – lohn – ung“ in unserem System muss strukturell gewollt sein. Wenn zunehmend bei Menschen die Beschreibung Ihres „Standes“ mit Kein beginnt: Kein Geld, kein Ansehen, kein … . Und dann weiter geht mit: Keine Zurückhaltung mehr, Keine Gewaltlosigkeit mehr, keine Achtung mehr… . Dann haben die Schuldigen einen Namen. Diese Sorge um den Wert aller Arbeit will der Schwerpunkt „Arbeiterschaft“ in unsrem Bistum schon seit vielen Jahren stärken.

Körperliche Arbeit und besonders die Menschen die sie täglich verrichten stehen hier im Mittelpunkt, das ist die Botschaft dieser Fotografie von Daniel Karmann. Aber besonders an diesem Ort kirchlicher Präsenz an den Hochschulen gehör die Wertschätzung der körperlichen Arbeit, weil des Leibes arbeit die Schöpfung Gottes nachklingen lässt!

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, Januar 2008
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