Kontextuelle Aspekte zur Situation, Herausforderung und Zukunft der Hochschulpastoral an deutschen Universitäten und Fachhochschulen
Zum Thema Pastoral können, von irgendeiner Pastoral selbst betroffen, irgendwie immer alle etwas sagen. So auch die Leser und Leserinnen dieser Art von Publikation, die Ihnen, sie halten sie gerade in der Hand, als wohl vertraut wieder einmal „angereicht“ worden ist. Deshalb meine Bitte, was sagen Sie als vermutlich von Pastoral Betroffene zu diesem „Bild“: An allen deutschen Hochschulstandorten leben glücklich und zufrieden Studierende in großer Zahl, und sie finden dort alles was ein Student und eine Studentin so brauchen: Bildung, Nahrung, Kleidung, Gesellschaft, Wohnung, Unterhaltung und Entspannung. Allerdings eines wäre nicht vorhanden, Hochschulpastoral (HP). Von dieser pastoralen Gattung also wäre weit und breit nichts zu sehen, keine Hochschulgemeinde, keine Studierendengemeinde, keine Präsenz der Kirche an der Hochschule. Können Sie sich das vorstellen? Hat Ihre Vorstellung für ein solches Szenario überhaupt Sensoren. Fehlt Ihnen etwas in der pastoralen Landschaft unserer Bistümer wenn Hochschulpastoral fehlte?
Interessanterweise antworten Insider der Kirche, die oft vermeintlich (besser) Wissenden und Outsider, die oft eher Unwissenden auf dieses fiktive Bild mit dem weißen Fleck unisono so und das natürlich fiktiv: „Wenn es keine Hochschulpastoral gibt, dann können die Studierenden ja in die Kirche gehen.“
Lebensansichten in Städten
Die Optik unserer Städte bestätigt vordergründig solche Antwort, denn an jedem europäischen Hochschulstandort ragen (noch) Kirchtürme in die Höhe. Diese können selbst von einem der Wissenschaft ganz ergebenen und auf dem Elfenbein des Wissens ruhig tagträumenden Studierenden nicht übersehen werden. Dieselbe Antwort allerdings, auf die Lebensphase eines jungen Menschen herunter gebrochen, der mit dem Beginn eines Studiums absolutes Neuland seiner Existenz betritt, ist freundlich formuliert gut gemeint, mit Blick auf die Realität eins Studierenden formuliert allerdings inkompetent. Deshalb soviel vorweg, aber nur kryptisch: Student und Kirchturm ergeben noch keinen Leuchtturm.
Vielleicht beginnen ja schon hier die ersten (selbsternannten) „pastoralen Fachleute“ zu toben, die es auf dem Hintergrund schwindender kirchlicher Mittel und damit verbunden mangelnder personeller Möglichkeiten für maßlos halten, dass bundesweit in 122 katholischen Hochschul- und Studierendengemeinden 95 Priester und 169 vorwiegend pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind. (Allerdings darf nicht übersehen werden, dass über die Hälfte der Beschäftigungsumfänge in diesen Berufgruppen unter 50% liegen, was in einer kritischen Einschätzung nicht übersehen werden darf.)
Dieses Potential sei doch, so manche Fachleute weiter, effizienter in der pfarrgemeindlichen Seelsorge und somit Struktur stabilisierend einzusetzen. Aber Gott sei Dank sehen das u. a. auch unsere Bischöfe und ihre Beraterinnen und Berater anders!
Kategoriale Seelsorge kontra territorialer?
Trotz des Engagements unserer Kirche in der HP könnte mit solchen Antworten der alte, latent noch oft vorhandene Streit zwischen der territorialen und der kategorialen Seelsorge neu entflammt und die bekannte Frage neu gestellt werden, welche seelsorgliche Qualitäten wünschenswerter da „besser“ seien. Zur Auswahl stehen da die Gemeinde mit Kirchturm und vermessenem Territorium, oder die Menschen in vergleichbaren Lebenssituationen wie z. B. Studierende aber auch Gefangene, Soldaten, Jugendliche, Alte, Behinderte oder Menschen im Krankenhaus. Doch diese oft, und in Zeiten „magererer Jahre“ besonders präsente Streitfrage möchte ich hier nicht offensiv aufgreifen, sondern ich möchte in meinen Ausführungen passiv Elemente einer Antwort skizzieren. Doch eines ist mit Blick auf die Zukunft und damit auf weiter schwindende Mittel einfach zur Kenntnis zu nehmen: Es werden weitreichende Entscheidungen anstehen müssen, die besonders auf Kosten einer der beiden Präsenzen der Pastoral gehen wird, da allen weiteren Ausdünnungen in der Fläche keine wirkliche Entscheidung zu Grunde liegen kann.
Ein Kriterium, hier nur am Rande erwähnt, für den auf uns weiter zukommenden Entscheidungsprozess kann heißen: Wo sind Menschen auf Grund ihrer Lebenssituation in einem Lebensraum partiell präsent, die situationsbedingt Interesse und „Lebenspraktisch – Technisch“ die Möglichkeit haben, zu hören, denn auch zukünftig wird gelten was der Apostel Paulus sagt: „Der Glaube kommt vom Hören.“ (vgl. Röm 10, 17)
Nun aber zurück zu der „Antwort mit dem Kirchturm“. Die stimmt! Denn jedes Gotteshaus einer Stadt, ob nun mit oder ohne Kirchturm ist Einladung zu Gebet, Besinnung und Meditation, und wenn katholisch auch zur Feier der Heiligen Eucharistie. Davon sind als Zielgruppe die Studierenden nicht ausgenommen. Studierende leben (meistens) in Wohnungen, diese befinden sich im Normalfall in Straßen und diese gehören, kirchlicherseits geordnet, zu Pfarrgemeinden und somit sind Studierende auch Gemeindemitglieder.
Pfarrgemeinden, hier nicht zu klären in welcher (auch zukünftigen) Erscheinungsform, sind wesentliche Orte in unserer Gesellschaft. Sie sind grob skizziert für viele Menschen berechenbar und entlastend weil meist klar strukturiert und gegliedert, sie sind Orte des Ankommens, der Begegnung und des Verweilens , der religiösen und kulturellen Identität und Entfaltung, sowie Orte des Gründens und Gestaltens familiärer und anderer Beziehungsfelder.
Studierende aber sind in eine Lebenswelt selbstbestimmt hineingeworfen die ganz anders tickt. Ihre Lebenswelt (besonders als Einsteiger) ist geprägt von Orientierung und Neubeginn und damit verbunden von Verunsicherung. In ihrer Lebenswelt gelten kontinuierlich Tempo, Fachlichkeit, Erfolg, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, Mobilität, sowie Erfindergeist und Kreativität. Sie selbst befragt sind all dem gewachsen, aber wie sie das alles auf die Reihe bekommen wissen sie oft auch nicht wirklich. Selbst bei aller Unklarheit in der Lebenswelt der Studierenden, auch bezogen auf die Frage was denn nach dem Studium sein wird, ist eines für sie klar: „Studentische Lebenswelt, in dir will ich sein!“ Diese Lebenswelt bedarf – kirchlicherseits betrachtet – eines auf sie zugeschnittenen Engagements, und nicht nur der wertvollen Standartantwort Pfarrgemeinde, in welcher Form auch immer. Dieses spezifische Engagement charakterisiert ein organisierter Ausnahmezustand von katholischer Kirche, eben der Hochschulpastoral, als Punktlandung mitten in der Lebensrealität der Studierenden.
Studierenden im Blick
Grundsätzlich sind Studierende keine homogene Gruppe und auch keine Spezies. Sie sind individuell Frauen und Männer mit Persönlichkeit und Potential. Sie sind auch keine voll pubertierenden Jugendliche mehr, sondern junge Erwachsene in einer neuen und zukunftsweisenden Umbruchphase, die eigenbiographisch bisher unvergleichlich, sie nun weitgehend selbst gestalten und verantworten müssen. Gleichzeitig begibt sich der Studierende in das System Hochschule, das stark reglementierend ihn fordert, herausfordert und manchmal auch überfordert. Bezogen auf eine religiöse Sozialisation sind einerseits Studierende anzutreffen, an denen jede so geartete Sozialisation vorbeigegangen ist, andererseits bringen Studierende aber auch noch den Klassiker von vorgestern mit, den sie oft so verbalisieren: „…und bis zum Beginn meines Studiums war ich dann auch noch Vertreter im PGR, aber am Wochenende und in der vorlesungsfreien Zeit leite ich trotz Studium noch immer eine…“ Dazwischen gibt es alle nur erdenklichen Sozialisationsformen.
Einige religiös Sozialisierte brechen mit ihrer religiösen Vergangenheit oder zumindest mit der religiösen Praxis als einem (bewussten oder unbewussten) Akt des Erwachsen geworden seins. Andere bisher „Fernstehende“ entdecken in diesem Lebensabschnitt ihre religiöse Dimension und suchen entsprechende Informanten. Diese Interessenten möchten meist auch auf dem Niveau eines angehenden Akademikers kommunizieren und effizient, wie andererseits im Studienbetrieb auch erwartet, hier erst einmal über den katholischen Glauben „nur“ informiert werden. Ob der Studierende nun in Sachen des Glaubens und der Kirche eher ein Ehemaliger, oder ein weiter Engagierter, ein Interessierter oder ein noch Uninteressierter ist, die HP versteht sich der Lebenswelt eines jeden Studierenden verpflichtet, und das nicht nur aber auch im Sinne eines „Stand By Modus“ der katholischen Kirche.
Punktlandung und Justierung
Der Anspruch, „Stand By Modus“ der katholischen Kirche in der Lebenswelt der Studierenden zu sein, und gleichzeitig qualitativ fähig zur Punktlandung in ihrer Lebenswelt, fordert in besondere Weise die von der Kirche mit der HP beauftragten und betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer neu heraus. So müssen die in der HP Tätigen neben ihrer Angebotsstruktur sich selbst auch immer wieder Rechenschaft über ihr pastorales Handel geben. Denn der Wandel der Lebenswelten und Beziehungsfelder, der Strukturen an den Universitäten und Fachhochschulen, der gesellschaftlichen Herausforderungen, der Kommunikationsformen, halt all dessen was die Lebenswelten der Studierenden in Bewegung hält, verlangt nach Reflexion und ggf. Neujustierung in der HP neben ihrem Anspruch kontinuierlich und verlässlich zu sein. Reflexion ist darüber hinaus auch für die in der HP Tätigen ein gutes Mittel, um nicht in die „subjektive Tätigkeitsfalle“ zu tappen, in der sich die in der HA Tätigen orientieren an den eigenen Hobbys und liebgewordenen Themen und Praktiken, oder sich dominieren lassen von beliebigen Mehrheiten.
HP ist ein personales Angebot, die Präsenz von kompetenten Menschen, und anders auch nicht zu haben. Weiter lehrt die Erfahrung, dass Teams in der HP bessere Möglichkeiten haben nicht nur ihr Handeln zu reflektieren und Perspektiven neu zu entwerfen, sondern Teams haben die Möglichkeit mit mehr als nur zwei Augen, und so angemessener die Zielgruppe in den Blick zu nehmen. Dass die in den Blickgenommenen nicht nur Objekt sondern auch Subjekt der HP sind, ist für eine Kirche die sich „als Volk Gottes auf dem Weg“ versteht konstitutiv!
Präsenz der Kirche an den Hochschulen > Hochschulpastoral
HP ist ein Tätigkeitsfeld der kategorialen Seelsorge das angesiedelt ist an den Standorten der Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen und verantwortet wird von dem „zuständigen“ Bistum und seinem Bischof. Ihre Grundlage ist die Verkündigung des Evangeliums in Diakonia, Martyria und Liturgia. Auf diesem Fundament setzt die HP besondere Akzente: Die Vermittelung des Glaubens (Z.B. auch in Crash Kursen für Erstinteressierte.), die Feier der Liturgie, das gesellschaftliche Engagement, die Beratung und Begleitung einzelner Studierender, die Kommunikation der kirchlichen Werte und Traditionen, die Eröffnung spiritueller „Erlebnisfelder“, der Interreligiöse und interkulturelle Dialog und nicht zu letzt auch das Erleben von Gemeinschaft. Auf diese Akzente bezogen fordert die HP sich selber heraus auch ein Ort der experimentellen Möglichkeiten zu sein. Darüber hinaus organisiert sich die HP auch auf Bundesebene im „Forum Hochschule & Kirche“, um auch in Vernetzung und Solidarität über die je eigene Hochschulgemeinde hinaus aus dem Evangelium heraus konkret, z.B. politisch, bezogen auf die Lebenssituationen der Studierenden, handeln zu können. (Weitere Infos hierzu im Internet unter: www.fhok.de)
Der Komplex Hochschulpastoral in den Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls und der deutschen Bischöfe
In der Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls zur Präsenz der Kirche an den Universitäten und in der universitären Kultur von1994 wird die Hochschulpastoral als eine besondere Sorge der Bischöfe (Ortsordinarien) hervorgehoben.
Das zweite Vatikanische Konzil hat in seiner Erklärung über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis“ eine grundlegende Erklärung zur Hochschulpastoral abgegeben und die Bischöfe beauftragt, für die Hochschulpastoral Sorge zu tragen: „Weil das Schicksal der Gesellschaft und der Kirche selbst mit der Entwicklung der Hochschulstudenten sehr eng verbunden ist, sollen die Oberhirten der Kirche nicht nur für das geistliche Leben der Studenten an katholischen Universitäten Sorge tragen; sie sollen vielmehr, um die geistliche Bildung aller ihrer Söhne besorgt, nach sachdienlichen Beratungen der Bischöfe darauf achten, dass auch an nichtkatholischen Universitäten katholische Studentenheime und Universitätszentren errichtet werden, in denen sorgfältig ausgewählte und vorgebildete Priester, Ordensleute und Laien der studierenden Jugend dauernde geistliche und geistige Hilfe bieten.“ [1]
Beschluss der gemeinsamen Synode
Der Beschluss der gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland von 1976 betont die vordringliche Bedeutung der HP: „Die Hochschulpastoral gehört zu den vordringlichen Aufgaben der Kirche in der Bundesrepublik Deutschland. Daher ist die Arbeit der Hochschulgemeinden zu unterstützen. An der Hochschule verwirklichen die Hochschulgemeinden die Grundfunktionen der Kirche: Glaubensdienst (Verkündigung), Gottesdienst (Liturgie) und Bruderdienst (Diakonie). Es ist ihre Aufgabe, diese in ihrem vollen Umfang zum Maßstab ihrer pastoralen Tätigkeit zu nehmen“. [2]
Weiter betont die Synode in ihrem Beschluss Schwerpunkte kirchlicher Verantwortung im Bildungsbereich, dass die Hochschulgemeinden allen, die im Bereich der Hochschule lehren und lernen, umfassend Hilfe leisten soll. Es ist ihre Aufgabe Lehrende und Lernende im Gespräch zu verbinden, Konflikte zu lösen und ihre Mitglieder und Arbeitsgruppen zu verantwortlicher Übernahme von Aufgaben in den Gremien der Hochschule und bei persönlichen wie sozialen Hilfeleistungen zu ermutigen.
Dabei erwartet die Synode von den Hochschulgemeinden, dass sie ihre Arbeit mit Blick auf alle die im Bereich der Hochschule tätig sind gestaltet. Die Bemühungen der Hochschulgemeinden dürfen nicht auf einzelne Gruppen eingeengt werden, sondern müssen alle freien Initiativen und Formen von Zusammenschlüssen berücksichtigen. Auch politische Verantwortung in Hochschule und Gesellschaft ist den Hochschulgemeinden nicht abzusprechen. Einseitige Parteinahmen, so wünscht die Synode, sollen dabei allerdings vermieden werden. Der kirchliche Auftrag zur Hochschulpastoral wird immer im Kontext der jeweiligen Zeit wahrgenommen. Die Situation der Kirche und der Gesellschaft, die Lage der Studierenden und die Situation der Hochschulen, die öffentliche Meinung und das, was manchmal als „geistige Großwetterlage“ bezeichnet wird, bestimmen wesentlich die Hochschulpastoral mit. [3]
Grundvollzüge der HP
Die hier angesprochenen Aspekte zusammengefasst, auf dem Hintergrund der Grundvollzüge christlichen Lebens, lauten: HP im Kontext globalen Wandels, als die identifizierbare „Präsenz der Kirche an den Hochschulen“, ist ein zentraler Auftrag der Kirche, der als ein Angebot alle in den Hochschulen Handelnde erreichen möchte. Diese Präsenz bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf die katholischen Studentinnen und Studenten, obwohl sie diese auch in besonderer Weise anzusprechen sucht. HP will die Lebenssituationen und Lebensbedingungen der Studierenden, also die Konditionen in und um das Studium aktiv und engagiert in den Blick nehmen, wohl aber unterschiedlich gewichtet. Dazu gehören das interreligiöse und interkulturelle Miteinander aller in die Hochschullandschaft Involvierten, Forschung, Wissenschaft und Lehre, sowie das über das Studium hinausreichende Persönlichkeitsbildende. Im Mittelpunkt der HP steht der Studierende. Er ist, egal welcher Fachrichtung, Nationalität und Religion er sich zuordnet, erster Ansprechpartner pastoralen Handelns. Fundament hochschulpastoralen Handelns, im Sinne der Sorge um das gelingende Leben der an den Hochschulen Tätigen, ist die befreiende Botschaft Gottes, die uns in Jesus Christus geoffenbart ist und seit her ununterbrochen weitererzählt wird.
HP entfaltet aus dem Evangelium
Das Evangelium nach Johannes formuliert diese Botschaft Jesu: „(…) ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10, 10b). Dieses Gotteswort findet seinen Ausdruck im Menschenwort: In der Beratung und Begleitung von Studierenden und Lehrenden, durch die Feier der Liturgie, in unterschiedlichen Formen der Interaktion zwischen den Religionen, Kulturen und Traditionen, in finanzieller Unterstützung von in Not geratener Studierender, in gemeinsamer Freizeitgestaltung, in einer aktiven Mitverantwortung füreinander, durch die Einmischung in hochschulpolitische und gesellschaftliche Meinungsbildungsprozesse sowie in einer partizipativen Anteilhabe an Entscheidungsprozessen. Die Option für „Randgruppen“, Benachteiligte, und Vergessene ist für die Hochschulpastoral genauso eine Herausforderung, wie ihre ethische und soziale Einlassung in Forschung, Wissenschaft und Lehre.
Hochschulpastoral, Lernort zukünftiger Verantwortungsträger
Studierende, die nach ihrem Studium in der Regel Entscheidungsträger an den Schaltstellen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Handelns sind, benötigen Lern- und Orientierungsfelder eines gerechten, wertschätzenden und qualifizierenden Miteinanders. Dazu bedarf es einer facettenreichen Persönlichkeitsbildung, zu der u. a. auch die Fähigkeit zu einem interkulturellen Konfliktmanagement gehören sowie ein bodenständiges Selbstwertgefühl.
Als kirchliche Einrichtung, mit Blick auf die zukünftigen beruflichen Tätigkeiten der Studierenden, leistet die HP einen Beitrag zur interkulturellen, interreligiösen und international geprägten Persönlichkeitsbildung Studierender. Diese anspruchsvolle Anteilnahme an der Entwicklung der Persönlichkeit junger Akademikerinnen und Akademiker kann nur dann gelingen, wenn die Kirche ihre Botschaft eindeutig und freiheitsliebend einbringt, und somit sich selbst nicht verleugnend auf Grund ihrer Kompetenz dazu beiträgt, dass die Studierenden Beheimatung auch in ihrer eigenen Kultur und Religion (neu-, wieder-) finden.
Hochschulpastoral in einer Problemzone
HP ist in den Verlautbarungen der Kirche ausdrücklich gewollt. Die Kirche wird in unserer Gesellschaft oft aber sehr kritisch bis ablehnend bewertet, und davon bleibt die HP als Institution der Kirche nicht unberührt. Grundlage der HP aber muss ihre Identifizierbarkeit sein, als ein von der Kirche gewolltes, also Kirche selbst, und verortetes Angebot frei von jedem Etikettenschwindel! Deshalb aber stößt die HP oft auf ein kaum auszurottendes Problem. Es gibt in einer breiten Öffentlichkeit das tradierte Bild einer katholischen Kirche, die sich zurückgewandt, introvertiert, unzeitgemäß und arrogant zeigt. Dieses in sich unreflektierte Bild wird in der Regel 1:1 auf die Einrichtungen der HP übertragen. Näheres Hinschauen führt häufig zu der Erkenntnis, dass dieser Imagetransfer, wenn dieses Image auf die katholische Kirche bezogen denn überhaupt angemessen ist, auf die Einrichtungen der HP im Regelfall definitiv nicht zutrifft. Angesichts dieser Erfahrung erscheint es sinnvoll, die Tätigkeitsfelder der HP in Zukunft noch transparenter zu präsentieren, da die an sich „fixe Idee“ von einer scheinbar nutzlosen Kirche in den Köpfen vieler Studierender sowie Hochschulangehöriger zu einem Irrbild ihrer wirklichen Bedeutung führt. Dem ist nachhaltig nur dadurch etwas entgegenzusetzen, wenn sich Kirche kompetent, selbstbewusst und in ihrer Intention klar präsentiert. „Diese Intention wird idealerweise nachvollziehbar in ihren Priestern, den hauptamtlichen Laien und in den verschiedenen Aufgabenfeldern der Hochschulpastoral“ [4]
Zukunftsaspekte der Hochschulpastoral
Grundlage einer HP der Zukunft muss ihre Identifizierbarkeit als ein von der Kirche gewolltes und verortetes Angebot sein. So allerdings stößt die Hochschulpastoral, die aktuellen Ereignisse wie die Piusbruderschaft berücksichtigend, mal wieder auf dieses kaum auszurottende Problem des weitgehend schlechten Images der katholischen Kirche.
1. HP muss gewollt sein!
Die Bischöfe und ihre Verantwortlichen in den Ordinariaten und Generalvikariaten tragen dafür Sorge, dass ausreichend gut ausgebildete und hoch motivierte Hauptamtliche, der Anzahl der eingeschriebenen Studierenden eins Hochschulstandortes entsprechend eingesetzt werden. Entsprechend muss auch ein angemessener Ort für die HP bereitgestellt sein.
2. HP ist personales Angebot
Nur über ein solches personelles Angebot sind letzten Endes Studierende und Hochschulangehörige zu motivieren, mit HP etwas zu tun haben zu wollen, die darüber hinaus dann auch selbst zu Multiplikatoren eines zeitgemäßen und authentischen kirchlichen Engagements werden können, ohne gleich in der Gesellschaft den Rang eines Reptils zu erwerben.
3. HP bedarf eigener Strukturen
Wesentlich für die HP der Zukunft ist auch, dass diese gewachsen eigenständige Aufgabe nicht im Sinne einer Fassette von Seelsorge einer Pfarrgemeinde (Territorialgemeinde) zugewiesen wird, als ein von dort aus mit zu versorgendes Klientel. Hochschulpastoral bedarf eigener unabhängiger und sensibler Strukturen, die kompatibel mit denen der Institution Hochschule und ihren studentischen Einrichtungen sind.
4. HP eine profilierte „Erscheinung am Rand“
Die HP der Zukunft wird notwendig eine Erscheinung am Rande der Kirche sein, in der sich allerdings die ganze Wahrheit der Kirche abbilden muss, und gleichzeitig eine Erscheinung am Rande der Hochschule, von der sie unabhängig bleiben muss, um sich relevant im Auftrag des Ortsbischofs „neben den Hochschulen auf sie zu“ in eindeutiger Weise als Kirche positionieren zu können!
Sie kann aus dieser Position heraus Seismograph von und für die Kirche sein, um dann gegebenenfalls von ihr in ihre „Mitte“ gerufen zu werden, damit sie sich mit ihrer Kompetenz diesem Aufgabenfeld entsprechend, in die Ortskirche einbringen kann mit dem Ziel „die Zeichen der Zeit zu deuten“.
Gleichzeitig kann die HP aber auch unter anderem ein freiwillig aufgehobener „Stein des Anstoßes“ für die Hochschulen sein, die fähig und bereit sind, ihrer eigenen Entwicklung nicht immer ganz zu trauen. HP ist so im Auftrag der Kirche ein zentraler Ort der Auseinandersetzung, an dem zumindest eine kleiner Prozentsatz derer, die in Zukunft oder schon heute auf der mittleren und oberen Etagen der Wirtschaft, Politik und Wissenschaft die Geschicke unserer Gesellschaft lenken, die Überzeugung entwickeln, egal in welcher Position sie sich in Zukunft befinden, die zentrale Frage nicht zu verschweigen: Ist der Mensch selbst, in seiner Ebenbildlichkeit Gottes, noch Subjekt unseres Handelns?
5. HP für Studierende mit Blick auf Lehrende
HP muss Kirche, und Partizipation an Kirche für die Studierenden bleiben und auch immer wieder (Reflexion ihrer Tätigkeiten) neu werden.
Die Lebenswelt der Studierenden gestaltet evident die Präsenz der Kirche an den Hochschulen, und sollte auch so „gelassen“ werden. HP sollte sich aber auch bemühen die Forschenden und die Lehrenden nicht ganz aus dem Blick zu verlieren. Auch aufgrund dieses Blickwinkels muss HP eindeutig identifizierbar sein, als in der befreienden Botschaft der Heiligen Schrift und in der Tradition der Kirche verwurzelt, gleichzeitig aber nicht in einer ängstlichen Selbstbegrenzung der Kirche gefangen zu sein. So bleibt der HP auch in der Zukunft die Luft, die sie nötig hat, um in ihrer Kirche Avantgarde für diese Kirche zu sein.
Der Hochschulpastoral gewünscht
Wenn HP an den Lebenssituation von Studierenden, dem Individuum eines jeden Einzelnen, dem Auftrag der Kirche und den Realitäten unserer Gesellschaft Maß nimmt, dann kann sie nie maßlos sein, und braucht sich anderen pastoralen Aufgeben gegenüber auch nicht als nicht exotisch zu rechtfertigen. Den H.H. Bischöfen und deren Verantwortungsträgern in den bistümlichen Verwaltungen einen Gruß: Lasst die HP „laufen“ und lasst sie nicht im Stich, damit sie ankommen kann, ohne Platz zu nehmen, um in der Verneigung vor dem Schatz unserer Kirche, den Menschen an den Hochschulen Botschafterinnen und Botschafter der frohen Botschaft mit Brisanz zu sein. Mögen die in der HP hauptamtlich Tätigen auch zukünftig erfahren, was heute mein Reichtum ist: 16 Jahre war sie mein Lebensacker, auf dem ich geworden bin wer ich heute sein darf, und so gehe ich weiter, danke. Danke euch Studierenden!
1 Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Die Präsenz der Kirche an den Universitäten und in der universitären Kultur, Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Bonn,1994, S. 32
2 Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Schwerpunkte kirchlicher Verantwortung im Bildungsbereich, Verlag Herder, Freiburg – Basel – Wien, 1976. S. 543
3 Vgl. ebd., S. 543ff
4 Ch. Stender, Mit Profil und Zukunft, Über die Präsenz der Kirche an den Hochschulen, in: Denken und Glauben, Zeitschrift der Katholischen Hochschulgemeinde für die Grazer Universitäten Nr. 109, Graz, 2000