Anna-Woche 2004 in Düren
Edelsteine in Zelten Gottes auf Erden. Erstes Fragment:
Als vor 50 Jahren der Grundstein zu der neuen Annakirche gelegt wurde, da waren die Schritte der Dürener Bevölkerung noch eher verhalten und ihre Stimmen noch etwas stumpf. Die Worte des Kirchenliedes „ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land, aus ewgem Stein erbauet von Gottes Meisterhand“ (GL 639, 1), blieben noch so manchem der Bürger und Bürgerinnen im Halse stecken, die Erinnerung, sie war noch zu frisch!
Am 16. November 1944 wurde Düren durch einen Alliiertenangriff im zweiten Weltkrieg völlig zerstört. Ungefähr 22.000 Menschen lebten zu der Zeit in der Stadt, von denen über 3.000 beim Bombenangriff starben. Das Weiterleben in der fast vollständig zerbombten Stadt war nicht mehr möglich. Die noch lebenden Dürener mussten ihre Heimat verlassen und wurden nach Mitteldeutschland evakuiert. 1945 lag die Stadt in der Hauptkampffront. Im Februar 1945 überquerten die amerikanischen Truppen die Rur bei Düren. Nach Kriegsende kehrten schon im Sommer 1945 viele evakuierte Dürener in ihre zerstörte Stadt zurück und fingen gegen den Willen der amerikanischen Besatzer mit dem Wiederaufbau an. Im Juni 1945 waren wieder 3806 Bürgerinnen und Bürger in Düren. Neun Jahre später hatten die Dürener wieder die Kraft und die Möglichkeit den Grundstein ihrer Annakirche neu zu legen.
Grundsteine werden oft in das Erdreich der Erinnerung, der Geschichte, des Gestern gebettet. Grundsteine markieren auf den Trümmern zerstörter Städte, in den Trümmern zerbrochener Herzen, in den Trümmern verletzter Körper den Willen des Menschen, nicht weiter durch die Greueltaten, die Menschen Menschen zugefügt haben, zerbrochen zu werden. Auf jedem Grundstein steht verborgen geschrieben: „Steh auf! Mensch steh endlich auf!“
Als der Grundstein dieser Kirche, Ihrer Kirche gelegt wurde, als der Traum, das Annahaupt würde wieder ein zu Hause haben, in greifbare Nähe gerückt wurde, da sangen jene, die ihren Glauben nicht verloren haben, verhalten wohl diese Liedstrophe: „Seht Gottes Zelt auf Erden! Verborgen ist er da; in menschlichen Gebärden, bleibt er den Menschen nah. Herr, wir Danken dir, wir vertrauen dir, in Drangsal mach uns frei und steh im Kampf uns bei.“ (GL 639, 4).
Viele Grundsteine wurden in diesen Jahren in unserem Bistum, in unserem Land neu gelegt, Viele Kirchen wurden aufgebaut oder neu errichtet und überall war der Grund der Zerstörung derselbe, die Verherrlichung menschlicher Macht durch brutale Gewalt.
Meine lieben Mitchristinnen und Mitchristen, wenn ich heute mit dem 50. Jahr der Grundsteinlegung von St. Anna auch an dieses Kapitel der Geschichte erinnere, das ihre alte Annakirche mit ihrem 100 Meter hohen Turm in Schutt und Asche hat fallen lassen, dann tue ich dies, weil in diesen schweren Zeiten „kostbare Edelsteine“ der Grund dafür waren, dass wir heute in dieser neuen Annakirche Gottesdienst feiern dürfen und hier auch schon seit vielen Jahren wieder das Annahaupt verehrt werden kann.
Diese „kostbaren Edelsteine“ war der Glaube der Menschen Damals (einige Leben noch und sind sogar unter uns) von Gott nicht im Stich gelassen zu werden. Die Menschen fühlten sich durch Gott wieder aufgerichtet, in seinem Namen wollten sich die Christinnen und Christen wieder würdig versammeln. Sein Wort sollte im Zentrum der aufgebauten Stadt wieder verkündet werden. Hier sollte der Tisch wieder stehen an dem sich Gott in Jesus Christus den Menschen schenkt, sich selbst zu essen gibt, damit keiner leer ausgeht.
Seht: So steht heute Gottes Zelt auf Erden hier mitten in Düren, ein Zelt in dem der Reichtum Gottes, sein Mensch, sich in der göttlichen Liturgie, der Feier unseres Glaubens, schmücken darf mit der Herrlichkeit Gottes, hier funkelt unser Glauben am hellsten! In diesem Zelt legt die Gemeinde in jedem Gottesdienst kleine Grundsteine aus dem Glauben für das Lebenshaus von morgen, unseren Alltag. Ortswechsel!
Edelsteine in Zelten Gottes auf Erden. Zweites Fragment:
Vom Bahnhof zum Seiteneingang sind es nur ein paar Schritte. Zugegeben, die Bezeichnung Seiteneingang ist bei einer Türhöhe von locker 10 Metern nicht ganz korrekt, aber der Haupteingang hat halt noch ein paar Meter mehr zu bieten. Große Eingänge lassen ahnen: „Hier betrete ich keine Hütte!“ In der Tat, der Raum ist gigantisch.
Kaum drinnen lockt auch schon die nächste Merkwürdigkeit. Sorgfältig aufgereiht auf Metallschienen flackern etwas bezugslos hunderte kleiner Teelichter vor sich hin. Erst bei näherem Hinschauen entdeckt der Forschertyp eine kleine Figur hinter Glas, die der Grund dieser Kerzenansammlung zu sein scheint. Was hat es mit dieser Figur auf sich? Einfach mal jemanden fragen der ebenfalls durch diese „Gotik pur“ schlendert: „Es ist ein Bild Mariens, der Mutter Jesu, die seit Generationen hier verehrt wird.“
Um diese Mariendarstellung herum ist Event, hier geht die Post ab: Kerzen werden angezündet, Menschen knien, stehen oder sitzen, sie suchen Ruhe, sind in sich vertieft, beten oder sind einfach nur da.
Zwei Jungs, so um die 20 Jahre alt, werden auch gesichtet. Der eine ein „Schwiegermutters Lieblings Typ“, der andere ein Blickfang: Rote Haare mit bläulichen Tupfen, weite Rapperhosen und total abgefahrene Schuhe. Ausgerechnet dieser Typ steht auf, geht zum Gnadenbild, zündet eine Kerze, bezahlte und bleibt noch einen Augenblick da stehen. Als die beiden den Dom verlassen fragt sein Freund: Warum hast du da eine Kerze angezündet? Antwort: „Meine Oma hat das auch gemacht, und die war eine ganz tolle Frau.“
Respekt! Dieser abgefahrene Typ geht in eine Kirche, schämt sich nicht vor einem Gnadenbild gesehen zu werden, steckt eine Kerze an, weil er dem Glauben seiner Oma traut, und fühlt sich auch noch gut dabei.
Dieser Kerl hat bei seiner Oma etwas gespürt, dem auch er vertrauen kann: „Mit Gott kann man sich sehen lassen! “ Edelstein Glauben! Ortswechsel.
Edelsteine in Zelten Gottes auf Erden. Drittes Fragment:
Neben meiner Haustüre steht ein recht großes Holzkreuz mit Korpus. Die Schnitzart ist nicht ganz mein Geschmack, aber Kreuze sollen ja auch nicht anmutig, lieblich oder schön sein und dann auch noch irgendwelche Geschmäcker treffen.
Wie jeder andere Mensch so schaue auch ich ab und zu so ganz ohne Grund aus einem meiner Fenster. Wie der Zufall so will, bemerke ich eine Frau wie sie gerade vor diesem Kreuz stehen bleibt, hinaufschaut, sich bekreuzigt und weiter geht. Es war nur ein Augenblick in dem diese Frau vor dem Kreuz, mitten auf der Straße, ihren Edelstein aufblitzen ließ. Sie hat ein Zeichen gesetzt! Und sie hat mich zum Nachdenken gebracht: Wo setze ich in meinem Alltag Zeichen? Lasse ich den Edelstein Glauben aufblitzen?
Edelsteine in Zelten Gottes auf Erden. Letztes Fragment:
Behauptung!
Gott ist unser Schatz!
Konsequenz:
Unser Reichtum ist der Glaube an Ihn.
Im Bild:
Edelstein Glaube.
Und hier,
in Düren vor 50 Jahren, ein Grundstein,
jedes Jahr zur Oktav der Mutter Anna,
in festlicher Liturgie,
vor einem Gnadenbild die Erinnerung eines Jungen an seine gute Oma,
mitten auf der Straße vor einem Kreuz,
öffentlich bekannter Glaube,
wo es Glauben und Hoffung nur geteilt gibt teilen,
da blitzen unsere Edelsteine aus dem Schatz Gottes von dem wir bekennen:
„Sein wandernd Volk will leiten der Herr in dieser Zeit; er hält am Ziel der Zeiten dort ihm sein Haus bereit. Gott, wir loben dich, Gott, wir preisen dich. O lass im Hause dein uns all geborgen sein.“ (GL 639, 5)
Diese Predigt wurde im Rahmen der Anna-Woche 2004 in St. Anna, Düren gehalten.