Des sollen wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.
Faxbox-Predigt Ostersonntag 1999
Christ ist erstanden von der Marter alle. Des sollen wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.
So verhalten die erste Strophe dieses Osterliedes sich ausspannt zwischen Christ ist erstanden und Kyerieleis, Herr erbarme dich, so gedämpft will uns heute der Osterruf, „Halleluja, Christus von den Toten erstanden, er lebt“, auch nicht so recht über die Lippen gehen. Wie auch, begleiten uns doch auch in diesem Ostergottesdienst hinein die Bilder und Nachrichten der (jüngsten) vergangenen Tage vom Kosovo, von flüchtenden Menschenmassen und den Bomben der NATO.
Doch nicht einzig diese Schreckensbilder und Nachrichten sind es, die einer unbeschwerten Osterfreude Einhalt gebieten. Nein, auch die sich immer mehr zur brutalen Wahrheit verdichtenden Berichte und Vermutungen vom Mord an ungezählten Kosovoalbanern, einer ethnischen Ausrottungswelle in dem ehemaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien dämmen die Osterfreude. Darüber hinaus bleibt ebenso im Dunkeln, wie viele Menschenleben die Gegenwehr der Kämpfer der albanischen UCK fordern und gefordert haben. Blut und Leid ergießen sich wenige Autostunden von unserer Landesgrenze entfernt wieder einmal über die meist Schwächeren.
Erstmals sind auch bundesdeutsche Soldaten beteiligt an einem Einsatz, der von den Regierungen der Staatengemeinschaft der NATO als unumgänglicher Befreiungsschlag gewertet wird, den anderen aber als verfrühte Aufgabe politischen Bemühens bewerten oder als völkerrechtlich nicht legitimierbare Einmischung in einen souveränen Staat.
Aber auch unsere eigene Geschichte holt uns wieder eklatant mit Blick auf den Balkan ein und lässt uns daran erinnern, dass es Deutsche unter der Hitlerdiktatur waren, die im zweiten Weltkrieg auf dem Balkan gemordet haben und dass es Deutsche waren, die als Kriegsgefangene auf dem Balkan ermordet wurden.
Der unbekannte Autor dieses Osterliedes hat begriffen, dass die Auferstehung des Sohnes Gottes, das Bekenntnis: „Jesus ist uns erschienen“ hineingerufen ist in die kaum auszuhaltende Spannung zwischen der Menschenliebe Gottes und der Möglichkeit des Menschen, menschenverachtend zu handeln. So endet jede der drei Strophen mit dem Ruf: Kyrie eleison, Herr erbarme dich. Auch die letzte Strophe, die den Halleluja-Ruf aufgreift und uns rufen lässt froh zu sein über die Auferstehung Jesu, der unser Trost ist, mündet in die Erkenntnis: Wir bleiben Menschen, die trotz der Osterbotschaft oder gerade auf Grund der Osterbotschaft an der Vergebungsbitte nicht vorbei kommen.
Diese Erkenntnis aber birgt die große Gefahr in sich, die Fähigkeit des Menschen zur Unmenschlichkeit als von Natur ihm mitgegeben dem Menschen anzuhaften nach dem Motto: Er ist halt so! Dann ist der Schritt nicht mehr weit zu dieser Sünderleinmentalität: „Wir sind doch alles kleine Sünderlein“ und damit verbunden ein schnelles Selbstvergeben und dann einfach vergessen.
Zurecht können wir nun sagen: Aber wir sind es doch auch gar nicht! Wer von uns will denn Verfolgung und Mord im Kosovo? Wir haben doch die Flüchtlingsströme nicht ausgelöst, keiner von uns hat Häuser angesteckt, eine Waffe in die Hand genommen oder Kinder, Frauen und Männer ermordet, in Notwehr erschossen oder mit dem Tode bestraft. Keiner von uns will und wollte diese Tragödie menschlicher Macht und Ohnmacht. Die meisten von uns werden den NATO-Einsatz auch nur tolerieren als scheinbar letzte Möglichkeit weiteres Blutvergießen zu verhindern, ihn nicht gutheißend aber mit der Frage: Welchen Ausweg hätte es denn noch geben können?
Diesen Krieg zwischen den Menschen im Kossovo, der nicht erst durch die NATO zum Krieg geworden ist, hat keiner von uns gewollt.
Trotzdem bleibt unser Osterlob überschattet von diesen Ereignissen weil wir genau wissen:
Würde unsere ungetrübte Osterfreude das Ohr der Mutter erreichen, die um ihr ermordetes Kind trauert, könnte sie uns nur mit Verachtung strafen!
Würde unsere ungetrübte Osterfreude das Ohr des sterbenden Soldaten erreichen, würde letzte Erinnerung an ein gleichgültiges Volk ihn in sein Grab begleiten.
Würde unsere ungetrübte Osterfreude das Ohr des deutschen Soldaten im Einsatz der NATO erreichen, würde er uns auf Grund unserer Sorglosigkeit anklagen!
Würde unsere ungetrübte Osterfreude das Ohr der Ehefrau erreichen, die nicht weiß, wo ihr Mann ist, würde sie uns Gleichgültigkeit vorwerfen.
Würde unsere ungetrübte Osterfreude das Ohr derer erreichen, denen mit knapper Not die Flucht gelungen ist, würden sie uns entsetzt fragen: „Weißt du, was wir alles zurück gelassen haben?“
Würde unsere ungetrübte Osterfreude das Ohr Gottes erreichen, der auf allen Kriegsschauplätzen im Leid der Menschen mit Füßen getreten wird, würde er uns anschauen und sich fragen, was muss ich eigentlich noch alles aufheben, damit die Menschheit begreift.
Gerade aber in dieser Zeit ist eines für Christinnen und Christen unaufgebbar: Das Bekenntnis zur Auferstehung des Sohnes Gottes. Im Bekenntnis des Menschen zu Gott verbirgt sich auch das Bekenntnis Gottes zu uns Menschen. Er will unser Leben und Überleben durch alle Tode des Menschen in seinem Leben hindurch und hinter dem endgültigen Tod eines jeden Menschen steht er, der uns seine Liebe entgegen hält.
In der zweiten Strophe singen wir:
„Wäre er nicht erstanden, so wäre die Welt vergangen. Seit das er erstanden ist, so freut sich alles, was da ist. Kyrieleis.“
Mit diesem Liedtext geben wir unserem Glauben Ausdruck, ohne die Auferstehung Jesu hätte unsere Welt keine Überlebenschance, keine Zukunft. Er enthält aber auch die Aufforderung: Möge sich alles freuen, was da ist. Diese Aufforderung, die die Sehnsucht Gottes beinhaltet, bleibt unser Auftrag: Möge die ganze Menschheitsfamilie Freude an ihrem Leben erfahren, unabhängig in welcher lebensbejahenden Religion sie ihrer Hoffnung Ausdruck geben, und zutiefst spüren: Gott ist der, der von sich sagt: „Ich bin, ich bin da, ich bin der Gott der Lebenden!“
Dieser Auftrag lässt uns aber auch immer wieder diese Spannung spüren, in der wir leben: Wir sind noch so weit entfernt vom Heil aller Menschen auf dieser Erde – Herr erbarme dich – und du bist der Weg zum Heil aller Menschen – Halleluja, Halleluja.
Unser Osterlob muss auch heute in dieser Spannung klingen und verklingen, zwischen trauriger Realität und österlicher Hoffnung, wie es in den folgenden zwei Gedichten zum Ausdruck kommt:
Bomben können nicht traurig sein
Ohnmächtig startete mich eine Hand
von langer Hand gewollt,
die Hand ethnischer Säuberung aus zu dorren,
als ich die Hand
auf deinen prallen Bauch
voller Leben
traf.Bomben können nicht einmal traurig sein
Auch nicht die Bomben der NATO am 28. März 1999 im Kosovo(Christoph Stender)Österlichen Gruß
Ich wünsche uns Osteraugen,
die im Tod bis zum Leben,
in der Schuld bis zur Vergebung,
in der Trennung bis zur Einheit,
in den Wunden bis zur Herrlichkeit,
im Menschen bis zum Gott,
in Gott bis zum Menschen,
im Ich bis zum Du
zu sehen vermögen.
Und dazu alle österliche Kraft!(Klaus Hemmerle)
Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.