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Österliche Kommunikation

Predigt in der Karwoche,
Dienstag, 30. März 2010, St. Remigius Viersen

0.

Was machen wir jetzt?

I.

Meine Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,
diese Frage „was machen wir jetzt“, ist nicht Ausdruck meiner Hilflosigkeit, nicht wissend wie es jetzt hier weiter geht, sondern diese ist eher eine rhetorische Frage und mündet in die Feststellung: Wir machen jetzt hier und heute das, was Menschen eigentlich immer tun, wir Kommunizieren miteinander.

Im Augenblick sieht das in unserem Gottesdienst so aus: Sie sitzen da in den Bänken und sind sich fast sicher was jetzt kommen wird. Ich stehe hier am Ambo und bin sicher das das, was Sie vermuten, auch eintritt, nämlich ich werde predigen, genauer ich bin schon dabei. Sie haben sich auf die Rolle der Zuhörenden eingestellt, und ich auf die des Sprechenden.

Uns gemeinsam ist, dass wir uns verhalten, nicht nur mit Worten sondern auch in Gesten und Haltungen. Ich versuche Sie in meiner Predigt mitzunehmen und sie reagieren hoffentlich durch gespannte Aufmerksamkeit, vielleicht aber auch mit einem Gähnen, innerem Abschalten oder vielleicht gehen Sie ja auch früher nach Hause.

Aber wenn wir dann nach Predigt und dem weiteren Verlauf dieses Gottesdienstes ganz normal wieder auseinander gehen, dann nehmen wir aus dieser Kommunikation (Interaktion) etwas mit, Informationen, Gefühle, Einschätzungen, vielleicht auch nur den Eindruck, gelangweilt gewesen zu sein.

Unsere Kommunikation behalten wir in der Regel aber nicht nur für uns, sondern wir teilen sie auch über den Kreis derer hinaus mit, mit denen wir hier heute Gottesdienst gefeiert haben. So könnte es sein, dass Sie nach dem Gottesdienst in der Familie oder unter Freunden sagen: „Schade dass ihr nicht im Gottesdienst gewesen seid, ihr habt echt etwas verpasst…“ oder so, oder auch ganz anders!

Der Mensch kommuniziert (in der Regel) einen großen Teil seines Lebens mit seiner Umgebung, er verhält sich irgendwie immer.

II.

Das ist kein Phänomen nur unserer Zeit, nein, das war zurzeit Jesu auch schon so. Für Jesus war Kommunikation existentiell und diese Kommunikation prägte sein öffentliches Wirken. Die jesuanische Kommunikation zeichnete sich aus durch brillante Rhetorik, treffende Beispiele, nachhaltige Gesten und eingehende Zeichen.

Das, was Jesus mitzuteilen hatte, war nicht der Stoff aus dem die Erde ist, auch nicht der Stoff aus dem die Träume der Menschen waren. Was Jesus in diese Welt hinein kommunizierte war ein so nicht gekannter Stoff, der Stoff der von Gott erzählt.

III.

Jesus ist die Selbstmitteilung Gottes, seine Aussprachen, seine Grammatik. Gott kommuniziert eben nicht in göttlicher Grammatik, die würden wir nicht verstehen. Gott bedient sich entschieden unserer Sprache, damit wir hören können, unserer Bilder damit wir entfalten können, unserer Symbole damit wir entschlüsseln können, unserer Zeichen damit wir deuten können.

Gott fällt nicht vom Himmel (plumps), denn das würde keiner verstehen, nein, er wird Mensch, ein Baby das aufwächst, das können wir besser verstehen da wir es kennen, so ist uns „Menschwerdung“ vertraut!

Gott verhält sich zu den Menschen einmalig in Jesus Christus. Er ist seine Grammatik. Und die Menschen verhalten sich auch zu ihm: Maria die Mutter, Josef der Vater, machtbesessene Stadthalter, weise Könige, Freundinnen, Ungläubige, Sünder, Propheten, Jünger, Fremde… Judas, der Verräter, von dem im heutigen Evangelium die Sprache ist, er verhielt sich auch zu Jesus. Jedoch verkehrte er ein zentrales Bild der Kommunikation zwischen Menschen in sein Gegenteil. So machte er den Liebeskuss zum Verräterkuss!

IV.

Verfolgen wir jetzt den weiteren Verlauf der Kommunikation bis zur Kreuzigung, dann stellen wir fest, dass mit dem Beginn der Passion Jesu die Kommunikation sich wesentlich verändert. Jesus, der noch in der Bergpredigt mit begeisternden Worten die Menschen aufhorchen ließ, wird immer stiller: Im Garten von Getsemani flüstert er, vor Gericht wird er immer wortkarger, mit dem Kreuz auf dem Rücken beginnt man ihm den Atem zu rauben, und endgültig wird er seiner Stimme beraubt in der Atemlosigkeit des Kreuzes.

„Gott mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ Hier ist alle Kommunikation ausgeblutet, dem Atem und der Stimme beraubt, ist der Sohn Gottes zu Tode verstummt. Die jesuanische Kommunikation endet in der Wortlosigkeit. Mit der Kreuzigung Jesu ist die Türe zu Gott zugeschlagen. Ein letzter Luftzug, der Atem Jesu vom Kreuz. Der Mensch hat sich ausgesperrt, hinter dem Kreuz fehlen die Worte.

Wortlos wird der Leichnam abgenommen, in ein Felsengrab verbracht, ist es Still geworden, die wenigen Worte leer.

V.

Die Art der Kommunikation von Menschen, die das Kreuz aufrichtet, ist geprägt von der Angst um sich selbst, von Machtgier, Vorverurteilung, Sensationslust, Unterdrückung, Rechthaberei, von Missbrauch, Gier, Jugendwahn usw. Die Kommunikation, die den Menschen bis zum Kreuz führt ist abartig, so abartig, dass sie selbst Gott das Wort nehmen!

VI.

Schnitt und Ortswechsel:
Sie gingen aus der Wortlosigkeit heraus, sie wollten hinter sich lassen: Den Schmerz, die Verzweiflung, die Selbstzweifel, eigentlich alles. Was hilft da besser, als dem was geschehen ist sich zu stellen, also darüber zu sprechen, erzählen, mitteilen, Wahrnehmungen austauschen, im Gespräch bleiben. Und sie gingen los, aus der Wortlosigkeit heraus durch die Erinnerung in ihre Herkunftsorte, Heimat, zwei gingen nach Emmaus.

Und dann viel einer ihnen in die Worte der Erinnerung und fragte sie: „Wo seid ihr, was ist geschehen, erzählt mir: Und sie nahmen ihn auf in ihre Erinnerung, die zwei Jünger den Fremden. Und sie erzählten, erklärten, deuteten, setzten immer wieder einen Fuß vor den anderen, und schütteten ihr Herz aus, warben um Verständnis, wurden wütend, mal traurig und immer wieder sprachlos.

Und dann nahm der Fremde das Brot, dankte, teilte, reichtet es ihnen und sie nahmen IHN! Das Herz ging ihnen auf und eine neue Qualität der Kommunikation begann, die Kommunikation der Auferstehung befreit von der Angst um sich selbst.

VII.

Was charakterisiert die Kommunikation der Auferstehung? Er nahm Brot, ein Lebensmittel, dankte, teilte, reichte. Die Kommunikation der Auferstehung ist befreit von der Angst um sich selbst und kann so den Anderen gelassen mitnehmen. Die Kommunikation der Auferstehung lässt den Menschen vorkommen, schützt Leib und Seele. Kommunikation wird zum Lebensmittel, sie eröffnet angstfreie Horizonte.

VIII.

Und, was machen wir jetzt?
Das ist keine rhetorische Frage mehr!

Wir werden uns wohl fragen müssen welches Vorzeichen unsere Kommunikation, unser Umgang miteinander hat. Ist unsere Kommunikation eine Karfreitagskommunikation des Wortraubes, des Würgens in die Wortlosigkeit, der Wortverweigerung, des Todschweigens, des inhaltsleeren Wortschwallens? Oder ist unsere Kommunikation eine Osterkommunikation, ein Lebensmittel, komponiert aus danken, teilen, reichen und mitnehmen?

IX.

Dieser Frage müssen wir uns stellen als Kirche und als einzelne Christinnen und Christen. Aber warum müssen wir uns dieser Frage eigentlich stellen?
Die Antwort ist einfach: Wenn Auferstehung ein auch heute noch relevantes Ereignis ist, dann müssen wir Ostern als Qualitätskriterium an unser Leben anlegen, im Sinne einer Kontrolle unserer Lebensqualität. Das gilt auch für das Handeln, die Kommunikation in und als Kirche!

X.

Wer in diesen Tagen das Thema Kommunikation in einem Gottesdienst anspricht, der muss unsere Kirche anschauen. In unserer Kirche sind in den vergangenen Wochen Menschen aufgedeckt worden, die Kreuze aufrichteten, weil sie Kinder missbraucht haben.

Sie haben ihr eigenes Ansehen, ihre Autorität und ihre Kommunikationsmöglichkeiten missbraucht und Kinder den Atem genommen, sie in die Sprachlosigkeit verbannt, um ihren krankhaften Trieb auszuleben, der immer Opfer fordert.

Das ist Mord an den Seelen sprachloser Kinder, nicht wieder gut zu machen!
Aber in dieser Karfreitagskommunikation gefangen sind nicht nur diese Täter, die als Priester in unserer Kirche tätig waren oder als pädagogische Kräfte in Einrichtungen, denen Kinder in unserer Gesellschaft anvertraut sind.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese missbrauchten Kinder im Erwachsenwerden einen weiteren Missbrauch durchleiden mussten, den des Verschweigens von Seiten der strukturell Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft.

Den Missbrauchten wurde das Wort nicht erteilt, sie mussten schweigen, weil niemand sie stark gemacht hat, ihre aus Scham und Selbstzweifel geborene Wortlosigkeit zu überwinden. Auch unsere Kirche hat wohl verschwiegen!

Hier kauerte, und gleichzeitig überheblich verharrte unsere Kirche in der Karfreitagskommunikation, die in die Wortlosigkeit geführt hat und so Schuld auf sich geladen hat.
(Pause)

XI.

Schnitt, Ortswechsel:
Was machen wir jetzt?

Sie gingen aus der Wortlosigkeit heraus, sie wollten hinter sich lassen: Den Schmerz, die Verzweiflung, die Selbstzweifel, eigentlich alles. Was hilft da besser, als dem was geschehen ist sich zu stellen, also darüber zu sprechen, erzählen, mitteilen, Wahrnehmungen austauschen, im Gespräch bleiben. Und sie gingen los, aus der Wortlosigkeit heraus durch die Erinnerung in ihre Herkunftsorte, Heimat, zwei gingen nach Emmaus.

Wohin gehen Sie nach diesem Gottesdienst? Welche sind die Orte Ihrer Kommunikation, heute, gleich aber auch in naher Zukunft? Ihre Kommunikation mit Partnerinnen und Partnern, in der Familie, mit den Kindern, Kommunikation in der Schule, im Studium, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, ist sie eine auferstandene Kommunikation, befreit von der Angst um sich selbst?

Ihre Kommunikation im Streit, in der Problembewältigung, in der Orientierung, in der Meinungsverschiedenheit, nehmen Sie einander mit, im danken, teilen, reichen? Gibt es Menschen denen Sie die Kommunikation aufgekündigt haben.

Genauso zu Hinterfragen ist die Kommunikation in den Pfarrgemeinden, zwischen hauptamtlich und ehrenamtlich Tätigen, in der Jugendarbeit und den Räten.

Machen Sie den Check:
Ist Ihre Kommunikation eine auferstandene Kommunikation, ein Lebensmittel komponiert aus danken, teilen, reichen, mitnehmen?

Schließen möchte ich mit einem Zitat des Dichters Hölderlin, das unserer früherer Bischof Klaus Hemmerle ein wenig „geglättet“ hat:
„Weiter ist der Mensch seit ein Gespräch er ist.“ Auferstehung!

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